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Elbenbiss /

Elbenbiss /

Titel: Elbenbiss /
Autoren: Tonja Züllig
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Michael. Wir sind Untote. Wir können nicht eben mal ein wenig in der Sonne stehen und zerfallen dann zu Asche. Ha! Was glaubst du, wie viele Vampire es noch gäbe, wenn es so einfach wäre? Weißt du, was passiert, wenn ein Vampir mit der Sonne in Berührung kommt?«
    Ich starrte ihn kopfschüttelnd und mit offenem Mund an. »Er beginnt zu glitzern?«, war alles, was ich herausbrachte.
    Wladimir sah mich einmal mehr verständnislos an. »Glitzern? Wie kommst du denn darauf?« Er schüttelte verwirrt den Kopf und starrte einen Moment nachdenklich in den Lichtkegel seiner Taschenlampe. »Nein, Michael. Wir bekommen Sonnenbrand, fürchterlichen Sonnenbrand, innerhalb von Sekunden. Ist doch logisch, bei unserem Teint. Und glaub mir, gegen diese Schmerzen sind wir nicht unempfindlich, dafür haben die Erzengel gesorgt, aber umbringen können sie uns trotzdem nicht.«
    Ich gab mir redlich Mühe, seine abstruse Geschichte zu erfassen, als Elanor plötzlich mit dem Schmetterlingsflügelding aus dem Wagen sprang.
    »Wir können weiter, beeilt euch!«, rief sie.
    Wladimir und ich zuckten zusammen, Wolf sprang auf.
    »Los! Macht schon, wir müssen uns beeilen.« Elanors schönes Gesicht schien vor Aufregung zu leuchten, und ich hörte wieder ein leises Summen, das von ihr ausging.
    Na, dann wollen wir mal, dachte ich ergeben, froh, mich auf etwas Handfestes konzentrieren zu können. Ich fuhr, von Elanor gelotst, tiefer in den Wald hinein. Der Weg wurde schmaler, Zweige strichen über den Wagen, als ob sie ihn mit ihren Blätterfingern an der Weiterfahrt hindern wollten. Allfällige Kratzer im Lack würde ich ohne Skrupel dem Professor in Rechnung stellen.
    »Bist du sicher, dass es hier lang geht, Elanor?«, fragte ich zögerlich und dachte, wenn wir irgendwo hängen oder stecken bleiben, haben wir ein Problem.
    »Ja, ich bin sicher. Kannst du nicht schneller fahren? Es eilt. Ich spüre es. Es wird stärker.«
    »Nein, kann ich nicht«, antwortete ich gereizt. Ich fuhr schon weit jenseits jedes vernünftigen Limits, und Wolf hatte sich wieder nicht angeschnallt. Während eines schnellen Blicks in den Rückspiegel sah ich, wie Elanors Finger über die Botschaft strichen. »Und was bitte wird stärker?«
    »Das kann ich noch nicht genau sagen«, antwortete sie zögerlich.
    Wolf drehte den Kopf zu ihr, und ich hätte schwören können, dass in seinem Blick Besorgnis lag.
    Einen Moment später bremste ich ab.
    »Was ist denn?«, fragten alle drei gleichzeitig.
    »Ende der Fahnenstange. Da vorne liegt ein Baum über dem Weg, da kommen wir nicht durch. Das ist nun mal kein Panzer, sondern ein Peugeot. Wir müssen umkehren und einen anderen Weg suchen. Den Baum bringen wir nie da weg. Oder hat einer von euch zufälligerweise eine Kettensäge dabei?«
    Die drei sahen sich an, als ob nicht sie, sondern ich irre wäre.
    »Wolf, Wladimir, das ist offensichtlich die nächste Prüfung. Bringt das zusammen in Ordnung, springt euch dabei nicht an die Gurgel, und beeilt euch bitte«, sagte Elanor knapp, aber mit erstaunlich entschiedener Stimme.
    »Kann ich helfen?«, bot ich an.
    Wolf warf mir einen verächtlichen Blick zu. »Bestimmt nicht«, knurrte er und stieg rasch aus. Wladimir folgte ihm mit einem entschuldigenden Lächeln in meine Richtung. Mir wurde mulmig zumute. Ich hatte das Gefühl, dass mir die Situation entglitt. Die Vorstellung, dass eine Sexsüchtige, die sich für eine Elbenfrau hielt und behauptete, in Verbindung mit ihren Ahnen zu stehen, hier offenbar das Sagen hatte, gefiel mir nicht.
    Ich wollte sie etwas fragen, aber die Worte blieben mir im Hals stecken. Ungläubig starrte ich durch die Scheibe auf das, was sich im Licht der Scheinwerfer bei dem flachliegenden Baum abspielte.
    Wolf und Wladimir hoben den langen Stamm, in der Dicke von fünf zusammengebundenen Bahnschranken, gemeinsam an, als ob es sich um die Langbank aus einer Turnhalle handelte, und wuchteten ihn aus dem Weg.
    Das war's.
    Wladimir klopfte die Hände an seiner Hose ab und schüttelte einige verirrte Rindenstücke von seinem schwarzen, weiten Mantel.
    Ich starrte Wolf verblüfft an, als er sich wieder neben mich setzte.
    »Was ist denn, nun fahr endlich!«, schnauzte er mich an.
    Hastig startete ich den Motor und fuhr an dem ominösen Baumstamm vorbei. Okay, das Teil sah nicht allzu gesund aus. Vermutlich war es innen hohl und wirkte viel schwerer, als es in Wirklichkeit war. Ich beschleunigte und fuhr schweigend und nervös in die Dunkelheit
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