Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elbenbiss /

Elbenbiss /

Titel: Elbenbiss /
Autoren: Tonja Züllig
Vom Netzwerk:
er ihm nicht erzählt.«
    »Wer hat wem was nicht erzählt?« In meinem Kopf begann es wieder zu pochen.
    »Der Gesandte Ilúvatars hat es John nicht erzählt.«
    »Wie bitte?«
    Ihr helles, perlendes Lachen erklang wieder. »Hast du etwa gedacht, dein hochverehrter J. R. R. Tolkien hat sich das alles selber ausgedacht? Aber nein! Der Gesandte Ilúvatars hat ihm die Ehre erwiesen und ihn eingeweiht.«
    Noch bevor ihre ungeheuerlichen Worte mein Gehirn richtig erreicht hatten, gab es einen lauten Knall, und ich schrak zusammen.
    Wolf hatte seine Pranke unsanft auf die Kühlerhaube geknallt und starrte uns durch die Windschutzscheibe drohend an.
    »Hast du noch etwas zu essen, Michael? Ich bin am Verhungern!«, rief er unwirsch.
    »In der Papiertüte neben dem Wagen müssen noch jede Menge Sandwiches sein«, antwortete ich. Er hob die Tüte mit finsterem Blick hoch und stellte sie auf den Kopf. Sie war leer. Wenn der Typ bereits alles gefuttert hat, kann er unmöglich noch hungrig sein, sinnierte ich.
    »Hast du noch Lembas, Elanor?«, fragte er im selben Moment.
    Lembas war die Wegzehrung der Elben, sehr nahrhafte, schmackhafte dünne Kuchen, die sie nur äußerst selten den Menschen gaben. Ob sie sie lieber mit Werwölfen teilten, wusste ich nicht. Gespannt und belustigt wartete ich, wie sich Elanor herausreden würde.
    »Du hast bereits alles verputzt. Ich habe nur noch etwas Cram. Willst du es haben? Dann komm her und hol es dir, Wölfchen, sonst verfüttere ich es den Kätzchen.«
    Ich bedeckte mein Gesicht mit den Händen und hätte am liebsten laut herausgelacht. Natürlich! Cram war von Menschenhand gemacht. Ein hartes und geschmackloses, aber sehr nahrhaftes Brot, eine Art Zwieback. In der Armee hatten wir es Atombrot genannt. Es schmeckte ekelhaft.
    Elanor wühlte in ihrer dunkelgrünen Umhängetasche und brachte eine Papiertüte zum Vorschein. »Ich meine es ernst, Süßer. Wenn du das Cram haben willst, musst du herkommen. Ich werf es dir bestimmt nicht wie einem wilden Tier vor die Füße, nur weil du vor zwei Wollknäueln Angst hast.«
    Ich nahm meine Hände vom Gesicht. Bewundernd äugte ich zu Elanor, die es wagte, in diesem Ton mit Wolf zu reden. Die beiden Irren starrten sich finster an. Wolf atmete schwer. Seine Augen funkelten zornig, aber auch voller Angst. Und da war noch etwas. Es blitzte nur für einen Sekundenbruchteil auf. Eine riesige Qual.
    Wenn der das alles nur spielte, war das oscarreif.
    Langsam und vorsichtig kam er um den Wagen herumgeschlichen. Elanor streckte die Tüte mit dem angeblichen Cram zur offenen Tür hinaus. In dem Moment, als Wolf sie schwer atmend erreicht hatte, zog sie ihren Arm zurück und legte sich die Tüte auf den Schoß, unmittelbar neben die Kätzchen.
    »Komm, Wölfchen, hol es dir«, gurrte Elanor, lehnte sich zurück und fuhr sich aufreizend mit der Zunge über ihre sinnlichen Lippen.
    Wolf starrte sie an, dann schweifte sein Blick zu den beiden Kätzchen, und er begann, bedrohlich zu knurren. Wieder so ein Augenblick, in welchem mir die Werwolfgeschichte gar nicht so weit hergeholt schien.
    Dann ging alles rasend schnell. Er schnellte nach vorn, schnappte sich die Tüte und war im nächsten Augenblick drei Meter vom Wagen weg. Jetzt war es an mir, ihn anzustarren. Eine solche Schnelligkeit hätte ich ihm nicht zugetraut.
    Elanor wandte sich ab, nahm die angebliche Botschaft ihrer Ahnen aus dem Ausschnitt, fuhr mit den Fingern darüber und schüttelte betrübt den Kopf.
    Da wir festsaßen und es nichts für mich zu tun gab, fragte ich, ob ich im nächsten Dorf etwas zu essen einkaufen solle. Elanor nickte und meinte, Wladimir habe bestimmt nichts dagegen, ein wenig herumkutschiert zu werden.
    »Aber öffne unter keinen Umständen den Kofferraumdeckel. Versprich es mir«, bat sie ernst.
    Ich wäre nie im Stande gewesen, diesen Augen etwas abzuschlagen.
    Ich war noch nicht aus dem Waldstück heraus, als ich plötzlich abrupt abbremste und in einem Reflex aufs Lenkrad hieb. Aus dem Kofferraum war ein dumpfes Rumpeln zu vernehmen. Armer Wladimir.
    Ein ungeheuerlicher Gedanke verbreitete wie eine Knallpetarde seinen beißenden Rauch in meinem Gehirn. Was, wenn es bei dieser verrückten Sache gar nicht um die drei Irren, sondern um mich ging? Wenn der Professor das alles für mich inszeniert hatte, um mich von meiner Schreibblockade zu therapieren? Um mir neue Ideen zu beschaffen? Dann wären diese drei Typen Schauspieler. Natürlich! Das würde eine Menge
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher