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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit
Autoren: Dean R. Koontz
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des Eises am Rand des Winterfelds abreißen. Harry und die anderen würden vielleicht feststellen müssen, daß die Eisschicht unter ihnen zusammenbrach, während dunkel, kalt und tödlich das Meer heranströmte.
    Um neun Uhr am vergangenen Abend, fünf Stunden nach dem ersten Beben, hatte ein zweites — 5,8 auf der Richter-Skala — die Verwerfungskette erschüttert. Hundertfünfundsiebzig Kilometer nordnordöstlich von Raufarhöfn hatte der Meeresboden sich heftig verschoben. Das Epizentrum lag Edgeway um etwa fünfzig Kilometer näher als das des ersten Bebens.
    Gunvald fand keinen Trost in der Tatsache, daß das zweite Beben nicht so stark wie das erste gewesen war. Die geringere Stärke war kein absoluter Beweis dafür, daß es sich bei der zweiten Erschütterung um ein Nachbeben des ersten handelte. Vielleicht handelte es sich bei beiden um Vorbeben, und das Hauptereignis würde noch folgen.
    Während des Kalten Krieges hatten die Vereinigten Staaten eine Reihe äußerst empfindlicher Sonarüberwachungsgeräte auf dem Boden der Grönlandsee angebracht — wie auch in zahlreichen anderen strategischen Gebieten der Weltmeere —, um die fast stille Fahrt feindlicher, mit Atomraketen bewaffneter U-Boote aufspüren zu können. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion waren einige dieser hochmodernen Geräte doppelt in die Pflicht genommen worden: Sie überwachten nun gleichzeitig U-Boote und lieferten wissenschaftliche Daten. Seit dem zweiten Beben übertrugen die meisten dieser Lauschstationen in den Tiefen der Grönlandsee ein schwaches, aber fast ununterbrochenes Brummen auf tiefer Frequenz: das bedrohliche Geräusch von elastischer Anspannung der Erdkruste.
    Vielleicht hatte eine Domino-Reaktion in Zeitlupe begonnen. Und die Dominosteine fielen eventuell genau auf die Station Edgeway. Während der vergangenen sechzehn Stunden hatte Gunvald weniger Zeit damit verbracht, seine Pfeife zu rauchen, als damit, nervös auf ihrem Stiel zu kauen.
     
    Als am Vorabend um 9 Uhr 30 über Funk der Ort und die Stärke des zweiten Bebens bestätigt worden waren, hatte Gunvald einen Funkspruch an das vorübergehende Lager zehn Kilometer südwestlich von der Station abgeschickt. Er hatte Harry von den Beben berichtet und die Risiken erläutert, die sie auf sich nahmen, wenn sie am Rand des Polareises blieben.
    »Wir haben hier eine Aufgabe zu erledigen«, hatte Harry erwidert. »Sechsundvierzig Sprengladungen sind an Ort und Stelle. Sie sind geschärft und ticken bereits. Sie wieder aus dem Eis zu holen, bevor sie detonieren ... da könnte man eher einen Politiker dazu bringen, daß er einem nicht die Hand in die Tasche steckt. Und wenn wir die anderen vierzehn morgen nicht anbringen, werden wir es ohne alle sechzig synchronisierten Sprengladungen wohl kaum schaffen, einen Eisberg von der Größe abzutrennen, die wir brauchen. Wir müßten die Mission praktisch abbrechen, und das kommt nicht in Frage.«
    »Wir sollten es vielleicht in Erwägung ziehen.«
    »Nein, nein. Verdammt, das Projekt ist zu kostspielig, um alles hinzuschmeißen, nur weil es ein seismisches Risiko geben könnte. Das Geld ist knapp. Wenn wir diese Chance verpatzen, bekommen wir vielleicht keine zweite.«
    »Da hast du wohl recht«, gestand Gunvald ein, »aber mir gefällt es trotzdem nicht.«
    In der Funkverbindung knisterte es, als Harry sagte: »Ich schlage auch nicht gerade Purzelbäume, das kannst du mir glauben. Kannst du irgendwie ausrechnen, wie lange es dauern würde, bis eine große Verschiebung durch eine gesamte Spaltenkette wie diese geglitten ist?«
    »Du weißt genau, daß man darüber nur Vermutungen anstellen kann, Harry. Tage, vielleicht Wochen, sogar Monate.«
    »Siehst du? Wir haben mehr als genug Zeit. Verdammt, es könnte auch noch länger dauern.«
    »Aber es könnte auch viel schneller passieren. In ein paar Stunden.«
    »Diesmal nicht. Das zweite Beben war nicht so stark wie das erste, nicht wahr?« fragte Harry.
    »Du weißt doch selbst genau: Daraus darf man nicht einfach schließen, daß die Reaktion sich abschwächen wird. Das dritte Beben könnte wieder stärker werden als die beiden ersten.«
    »Immerhin«, wandte Harry ein, »ist das Eis hier, wo wir gerade sind, zweihundertdreißig Meter dick. Es wird nicht einfach brechen wie die erste Eisschicht des Winters auf einem Teich.«
    »Dennoch rate ich euch dringendst, euch morgen gewaltig zu beeilen.«
    »Darüber mußt du dir keine Sorgen machen. Wenn man in diesen verdammten
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