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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit
Autoren: Dean R. Koontz
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nie begriffen, daß jedes Abenteuer harte Arbeit bedeutete; er hatte nur an die Gefahr gedacht, die damit verbunden war und die er reizvoll fand. Doch als er allmählich erwachsen wurde, beide Eltern durch schwere Krankheiten verlor und lernen mußte, daß die Welt gewalttätig war, hatte er am Tod nichts Romantisches mehr finden können. Dennoch mußte er zugeben, eine gewisse perverse Nostalgie an der Unschuld zu finden, die es ihm einst ermöglicht hatte, eine vergnügliche Spannung darin zu finden, ein tödliches Risiko einzugehen.
    Claude Jobert beugte sich zu ihm, damit er sich über den Lärm des Sturms und des sich drehenden Bohrers verständlich machen konnte. »Keine Sorge, Harry. Wir sind bald wieder in Edgeway. Guter Kognak, eine Partie Schach, Benny Goodman auf dem CD-Spieler und alle Bequemlichkeiten.«
    Harry Carpenter nickte und betrachtete weiterhin den Himmel.

12:20
    Im Telekommunikations-Schuppen der Station Edgeway stand Gunvald Larsson an dem einzigen kleinen Fenster, kaute nervös auf dem Stiel seiner nicht angezündeten Pfeife und spähte in den immer heftiger tobenden Sturm hinaus. Unaufhaltsam wirbelten die Schneemassen durch das Lager, wie Geisterwellen aus einem uralten Meer, das vor Jahrtausenden verdunstet war. Vor einer halben Stunde hatte er das Eis von der Außenseite des mit einer Dreifachscheibe versehenen Fensters gekratzt, doch am Rand des Glases bildeten sich bereits neue, federartige Kristallmuster. In einer Stunde würde ein weiterer, die Sicht nehmender Schleier entstanden sein. Von Gunvalds leicht erhöhtem Standort wirkte die Station Edgeway so einsam — und bildete einen so scharfen Kontrast zu der Umgebung, in der sie sich befand —, daß es sich bei ihr um den einzigen Vorposten der Menschheit auf einem fremden Planeten hätte handeln können. Sie war der einzige Farbfleck auf den weißen, silbernen und alabasternen Ebenen.
     
    Die sechs kanariengelben Wellblechbaracken waren unter gewaltigen Kosten und Mühen bereits vorgefertigt auf dem Luftweg auf die Eisdecke gebracht worden. Jedes einstöckige Gebäude maß sechs mal viereinhalb Meter. Die Wände — Schichten aus Blech und leichter Schaumisolation — waren an abgerundete Tragbalken genietet, und die Böden waren im Eis versenkt. Die Hütten waren zwar so unattraktiv wie Slumgebäude und kaum größer als Kisten, boten aber dennoch einen zuverlässigen Schutz gegen den Wind.
    Hundert Meter nördlich vom Lager stand ein einzelnes kleineres Gebäude. Es beherbergte die Treibstofftanks, aus denen die Generatoren gespeist wurden. Da die Tanks Diesel enthielten, das zwar brennen, aber nicht explodieren konnte, war die Feuergefahr minimal. Dennoch war die Vorstellung, in einem Feuer gefangen zu sein, das von einem arktischen Sturm gespeist wurde, entsetzlich — besonders, wenn es kein Wasser gab, mit dem man es bekämpfen konnte, sondern nur nutzloses Eis. Umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen waren nötig, um den Teilnehmern der Expedition wenigstens ein gewisses Gefühl der Sicherheit zu verleihen.
    Gunvald Larssons Sicherheitsgefühl war vor ein paar Stunden erschüttert worden, aber nicht, weil er sich Sorgen um Feuer machte. Er sorgte sich mehr um die Erdbeben. Genauer gesagt, um die subozeanischen Erdbeben.
    Als Sohn eines schwedischen Vaters und einer dänischen Mutter war er bei zwei Olympischen Spielen Mitglied der schwedischen Skimannschaften gewesen, hatte eine Silbermedaille gewonnen und war auf seine Herkunft stolz. Er kultivierte geradezu das Bild eines Skandinaviers, der sich durch nichts aus der Ruhe bringen ließ; seine innere Ausgeglichenheit entsprach dem kühlen Äußeren. Seine Frau pflegte zu sagen, daß seine regen blauen Augen die Welt ständig wie ein Präzisionsgreifzirkel maßen. Wenn er nicht draußen arbeitete, trug er Freizeithosen und bunte Skipullis; auch im Augenblick war er wieder so gekleidet, als lümmelte er sich nach einem angenehmen Tag auf den Pisten in einer Berghütte, statt in einem eisigen Schuppen auf der winterlichen Eishülle darauf zu warten, daß das Unheil zuschlug.
    Doch während der letzten Stunden hatte er einen Großteil seiner charakteristischen Gemütsruhe verloren. Er kaute auf dem Pfeifenstiel, wandte sich von der frostüberzogenen Fensterscheibe ab und bedachte die Computer und Instrumente zur Datensammlung, die drei Wände des Telekommunikations-Schuppens bedeckten, mit einem finsteren Blick.
    Als Harry und die anderen am vergangenen Nachmittag in südliche
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