Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
schneit«, sagte Pete Johnson.
    Harry sah die Flocken, die sich gemächlich in einem stummen Ballett senkten. Der Tag war windlos, auch wenn die Ruhe nicht mehr lange anhalten mochte.
    Claude Jobert runzelte die Stirn. »Der Sturm sollte doch erst am Abend einsetzen.«
    Die Fahrt von der Station Edgeway — die sechs Kilometer Luftlinie nordöstlich von ihrem derzeitigen Lager lag, neun Kilometer mit dem Schneemobil vorbei an Kämmen und tiefen Spalten — war nicht schwierig gewesen. Dennoch konnte ein eisiger Sturm die Rückfahrt unmöglich machen. Die Sichtweite konnte schnell auf null sinken, und bei Kompaßstörungen würden sie die Orientierung verlieren. Und wenn ihren Schneemobilen dann der Treibstoff ausging, würden sie erfrieren, denn selbst ihre Thermalanzüge boten nur unzureichenden Schutz, wenn man länger jener mörderischen Kälte ausgesetzt war, die einem Schneesturm auf dem Fuß folgte.
    Tiefschnee gab es auf der Eisdecke Grönlands nicht so häufig, wie man sich das vielleicht vorstellt. Zum Teil lag das an den extremen Tiefpunkten, auf die die Lufttemperatur fallen konnte. Bei fast jedem Schneesturm verwandelten die Schneeflocken sich in Eisnadeln.
    Harry betrachtete den Himmel. »Vielleicht ist es eine örtliche Bö«, sagte er.
    »Ja, genau das hat die Online-Wettervorhersage auch über den Sturm in der letzten Woche gesagt«, erinnerte Claude ihn. »Bei uns sollte es nur zu örtlichen Böen an der Peripherie des Hauptsturms kommen. Und dann hatten wir so viel Schnee und Eis, daß der Weihnachtsmann selbst am Heiligen Abend keinen Schritt vor die Tür gesetzt hätte.«
    »Dann bringen wir diese Sache lieber schnell hinter uns.«
    »Gestern wäre besser gewesen.«
    Als wolle er bestätigen, daß sie Grund zur Eile hatten, kam aus dem Westen ein Wind auf, so scharf und geruchlos, wie ein Wind es nur sein konnte, wenn er über Hunderte von Kilometern toten Eises kam. Die Schneeflocken wurden kleiner und fielen senkrecht und nicht mehr in hübschen Spiralen wie die Flocken in einer billigen Schneekugel.
    Pete befreite den Drillbohrer aus dem Bohrloch und hob ihn aus dem Traggestell, als würde er nur ein Zehntel seiner tatsächlichen vierzig Kilo wiegen.
    Vor zehn Jahren war er ein Football-Star an der Universität von Pennsylvania gewesen, hatte aber Angebote mehrerer Profimannschaften abgelehnt. Er hatte nicht die Rolle spielen wollen, die die Gesellschaft jedem einsneunzig großen, zwei Zentner schweren schwarzen Football-Helden zudachte. Stattdessen hatte er Stipendien errungen, zwei akademische Grade erworben und eine gutbezahlte Stellung in der Entwicklungsabteilung einer Computerfirma angenommen.
    Seine Mitarbeit war von grundlegender Bedeutung für Harrys Expedition. Er wartete die elektronischen Geräte, mit denen sie in Edgeway Daten sammelten. Außerdem hatte er die Sprengvorrichtungen entworfen. Falls etwas schiefgehen sollte, war er der einzige, der wirklich mit ihnen umgehen konnte. Und seine gewaltige Kraft konnte dort draußen am ungastlichen Rand der Welt jederzeit unentbehrlich werden.
    Als Pete den Bohrer aus dem Weg schob, hoben Harry und Claude eine fast einen Meter große Bohrer-Erweiterung aus einem der Anhänger, die mit den Schneemobilen verbunden waren. Sie schraubten sie auf den Gewindeschaft, der noch im Eis begraben war.
    Claude warf den Generator wieder an.
    Pete rammte den Bohrer an Ort und Stelle, drehte die schlüssellose Aufspannvorrichtung, um die Backen um den Schaft festzuziehen, und machte mit der Bohrung weiter. Am Boden des dreißig Meter tiefen Lochs würden sie eine mit Sprengstoff gefüllte Röhre plazieren.
    Während die Maschine knatterte, schaute Harry zum Himmel. Innerhalb der letzten paar Minuten hatte das Wetter sich beunruhigend verschlechtert. Der Großteil des aschfahlen Lichts war hinter der tiefhängenden Bewölkung verschwunden. Der Schneefall war so stark, daß der Himmel nicht mehr mit Grau- und Schwarztönen getupft war; durch die kristalline Sintflut konnte man nichts mehr von der eigentlichen Wolkendecke ausmachen. Über ihnen war nur ein tiefes, wirbelndes Weiß. Die Flocken schrumpften bereits und wurden körnerähnlich; sie brannten leicht auf seinem eingecremten Gesicht. Der Wind steigerte sich auf vielleicht dreißig Stundenkilometer, und sein Gesang war ein klagendes Dröhnen.
    Harry spürte noch immer eine bevorstehende Katastrophe. Das Gefühl war gestaltlos, verschwommen, aber unerschütterlich.
    Als Junge auf der Farm hatte er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher