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Eiszart

Eiszart

Titel: Eiszart
Autoren: Kerstin Dirks
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schimmerten. Seine Haut wirkte weiß, als wäre sie gepudert. Gepudert war gewiss auch die Perücke, die kunstvoll frisiert und zu einem Zopf gebunden war.
    »Fräulein Tereschkowa?« Er deutete eine Verbeugung an.
    Ihr Herz schlug schneller, als sie gewahr wurde, dass es der Graf sein musste, der zu ihr sprach. Wie würdevoll er aussah. Edelmännisch. Das blaue Blut sah man ihm auf den ersten Blick an. »Graf Zima?«
    Ein Lächeln bildete sich auf seinen sinnlichen Lippen. Sie fragte sich unweigerlich, wie sie wohl schmeckten. Veruschka erschrak über ihre eigenen Gedanken. Was war nur mit ihr los? Seit dieser eigenartigen Kutschfahrt war sie nicht mehr sie selbst.
    »Schenkt Ihr mir diesen Tanz?«, fragte er höflich und hielt ihr die Hand hin. Sie zögerte, schaute sich um. Niemand sonst tanzte.
    »Wo wollt Ihr denn tanzen? Hier gibt es keinen Platz dafür.« Dicht an dicht drängten sich die Gäste, unterhielten sich angeregt.
    »Wenn Ihr es wünscht, wird es genügend Platz für uns geben.« Er hob die Hand, schnipste einmal, und als wäre dies ein Zeichen gewesen, stoben die Männer und Frauen auseinander. Verwirrt und beeindruckt zugleich blickte sie auf den leeren Platz in der Mitte des Saals.
    »Wie habt Ihr das gemacht?«, fragte sie, doch er antwortete nicht, sondern hielt ihr abermals die Hand hin.
    Veruschka war noch viel zu verzaubert, um ihm die Bitte abzuschlagen. Also legte sie ihre Hand in seine, und eine merkwürdige Kälte floss durch ihre Finger. Sie erschrak, doch sein Lächeln wärmte ihr Herz. 
    Er führte sie so wunderbar sanft und leichtfüßig über das Parkett, dass sie das Gefühl hatte, zu schweben. »Ihr tanzt wundervoll«, lobte er sie, aber in Wahrheit war es sein Verdienst, dass Veruschka weder stolperte, noch jemandem auf die Füße trat.
    Er schritt mit ihr durch den Saal, verneigte sich vor ihr, schritt zurück, drehte sich. Und plötzlich waren sie nicht mehr allein auf der Tanzfläche. Ein Paar nach dem anderen schloss sich ihrem Menuett an. Sie hörte das Klacken der gleichmäßig vollführten Schritte, das Rascheln von Tüll und teuren Stoffen.
    Das Lied endete viel zu schnell. »Wollt Ihr mich begleiten?«, fragte der Graf, nachdem die letzten Töne verklungen waren, und deutete zum offenen Fenster. Der Wind wehte hinein, bewegte die Vorhänge.
    »Es ist kalt«, erwiderte sie leise. Aber Graf Zima lachte nur. »Ich werde Euch wärmen. Vertraut mir.«
    »Das tue ich.« Veruschka fühlte, dass sie es ernst meinte, obwohl sie ihn kaum kannte. Aber er hatte etwas an sich, dem sie nicht widerstehen konnte. Sie traten hinaus auf den riesigen Balkon.
    Der Mond schien hell, ließ den Schnee leuchten, und im Garten brannten Fackeln. Eine herrliche weiße Landschaft erstreckte sich vor ihnen. Schneeverhangene Hügel und Täler, Baumkronen, die sich in weißes Flies hüllten. Überall glitzerte es. Ein prachtvolles Bild.
    »Es ist wunderschön«, gestand sie, und ihr Atem hinterließ Spuren in der Luft.
    »Dies ist mein Reich.«
    »Euch gehört all das?«
    »Wohin das Auge blickt, ja. Von der Bergkette im Norden bis zum Taigatal im Süden. Gefällt Euch, was Ihr seht?«
    »Ja, das tut es.« Es war atemberaubend. Unwirklich. Ein Reich aus Schemen und leuchtendem Schnee.
    »Es könnte Euer Zuhause werden.«
    Veruschka löste sich überrascht von ihm, blickte ihn erstaunt an. War die Einladung zum Ball also doch mehr gewesen, als sie angenommen hatte. Der Gedanke schmeichelte ihr. Zumal der Graf ein äußerst anziehender Mann war. Dennoch ging ihr alles ein wenig zu schnell. »Wollt Ihr Euch nicht auch mit den anderen Mädchen unterhalten, die Ihr auf Euer Schloss geladen habt?«, fragte sie ausweichend.
    »Ich habe kein anderes Mädchen eingeladen. Nur Euch.«
    »Aber …« Sie blickte durch die offene Tür in den Ballsaal. Tatsächlich entdeckte sie dort keine alleinstehende Frau, nur Paare. Für einen kurzen Augenblick meinte sie, einen Herrn im schillernden Gewand zu sehen, der allein gekommen war. Aber er war so schnell aus ihrem Blickfeld verschwunden, dass sie nicht einmal sicher war, ob er nicht doch eine Begleitung bei sich hatte.
    »Ich verstehe nicht …«
    Er legte seine Hand unter ihr Kinn, hob es leicht an und blickte ihr in die Augen. »Ich habe mich in Euch verliebt«, gestand er. Seine Worte ließen ihr Herz schneller schlagen, und der Anblick seiner verführerischen Lippen machte sie schwindeln. Er neigte sich ihr entgegen, versuchte, sie zu erreichen, sie zu küssen.
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