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Eiszart

Eiszart

Titel: Eiszart
Autoren: Kerstin Dirks
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stellte sich vor, sie selbst wäre es, die den männlichen Geschmack auf ihrer Zunge spürte.
    Benommen schüttelte sie den Kopf. Schon wieder stellten sich diese unbekannten Gedanken ein. Seit der Kutschfahrt erkannte sie sich nicht wieder. Es war, als würde ein Zauber über allen Gästen liegen, sie willig und hemmungslos machen.
    Endlich gelang es ihr, den Blick von dem Paar abzuwenden, als sie das Dienstmädchen am Flügeltor bemerkte. Es winkte ihr zu. Veruschka erhob sich rasch, rauschte mit ihrem ausladenden Ballkleid an all den Liebesgespielen vorbei zur Magd hin, die zwei Kerzen in der Hand hielt. Die größere gab sie ihr.
    »Folgt mir, der Herr erwartet Euch bereits«, sagte das Mädchen und ging voran.
    »Und was wird aus denen?« Veruschka blickte in den Saal zurück. Sie sah, wie der Mann, den sie eben noch aus nächster Nähe beobachtet hatte, seinen Höhepunkt erreichte. Sein Körper zuckte und bebte, sein ekstatisches Stöhnen erfüllte den ganzen Saal. Die Erlösung, die er in diesem Moment erfuhr, war so intensiv, dass Veruschka glaubte, sie ebenfalls spüren zu können.
    »Die werden sich schon zu beschäftigen wissen«, sagte die Magd und zwinkerte ihr zu. »Kommt jetzt. Ich muss Euch warnen, es wird kalt werden.«

Sie brachte Veruschka zu einer steinernen Wendeltreppe, die sie gemeinsam hinaufgingen. Der Wind heulte laut auf, sang ein Klagelied, das in ihren Ohren dröhnte. Je mehr Stufen sie erklomm, desto kälter wurde es. Die Treppe wollte und wollte nicht enden, wahrscheinlich befanden sie sich in einem der Schlosstürme.
    »Achtet auf Eure Kerze. Sie darf nicht ausgehen«, sagte die Magd.
    »Ich passe schon auf.« Veruschka wollte schließlich nicht plötzlich im Dunkeln stehen.
    Immer weiter ging es nach oben, und schließlich erreichten sie das geöffnete Turmzimmer, das von unzähligen Kerzen erleuchtet wurde, so dass der helle Schein bereits den Kopf der Treppe erfasste.
    »Kommt herein«, sagte Graf Zima und lächelte sie an. Noch immer trug er seine Maske.
    Veruschka blickte sich nach der Magd um, aber die war abermals verschwunden. Zögerlich ergriff sie die Rechte des Grafen, erschauderte ob der Kälte seiner Hand und folgte ihm hinein in die runde Turmkammer.
    »Hier könnt Ihr Eure Kerze abstellen«, sagte er und deutete auf ein kleines Tischchen am Fenster. »Aber gebt acht, dass sie nicht ausgeht.«
    Was wäre daran so schlimm? Es war hell genug. Das Meer aus Kerzen beruhigte Veruschka, obgleich es sie aufgrund der Kälte im Raum fröstelte.
    »Hattet Ihr mir nicht etwas zugesagt?«
    »Wie meinen, Eure Schönheit?«
    »Eure Maske, Ihr wolltet sie abnehmen, mir Euer Gesicht zeigen.« Sie wollte endlich wissen, wer er war. Herausfinden, ob sie ihn wiedererkennen würde.
    Er lächelte charmant. »Das habe ich nicht vergessen.« Mit beiden Händen fasste er an den Knoten und zog ihn auf, so dass die Larve zu Boden glitt.
    »Ihr?«, rief sie erstaunt.
    Moroz lachte sie an. »Sagt bloß, das hattet Ihr nicht längst erwartet.«
    Der freche Kerl aus dem Bad war Graf Zima? Sie fühlte sich mit einem Mal schrecklich dumm.
    »Ich hatte ja keine Ahnung«, gab sie zu und nahm ihre eigene Maske ab. Es hatte keinen Sinn mehr, das Gesicht zu verbergen, er wusste ja eh, wie sie aussah. Schlimmer, er kannte jede noch so kleine Einzelheit ihres Körpers. Oh, sie hatte doch gewusst, dass sie sich Moroz' Erscheinen nicht eingebildet hatte. Wie war er nur so plötzlich verschwunden?
    »Ich weiß, Eure Schönheit, Ihr habt viele Fragen. Und ich werde jede von ihnen beantworten. Seid mir nicht böse, dass dies aber noch etwas warten muss. Und seid versichert, ich wollte Euch nicht bei Eurem Bade stören«, sagte der Graf und setzte sich auf seine Schlafstatt. Sie war rund und wirkte genauso eigenartig wie die Kammer, doch sie gefiel ihr. Und er gefiel ihr auch, wie Veruschka sich allmählich eingestehen musste.
    »Ich bin Euch nicht mehr böse«, sagte sie leise.
    »Dann setzt Euch zu mir.«
    Sie tat es. Doch neben ihm war es noch kälter.
    »Ihr habt mich ganz schön reingelegt, Moroz. Ihr hattet recht, wir kannten uns bereits.«
    Er lachte. »Aber das meinte ich nicht, Eure Schönheit.« Seine eisblauen Augen taxierten sie eindringlich. »Das verstehe ich nicht. Ich würde es wissen, wenn wir uns zuvor begegnet wären. Heute traf ich Euch zum ersten Mal.«
    »Ihr irrt erneut.« Er nahm ihre Hand, hauchte einen heißkalten Kuss auf diese. Sogleich bildete sich eine Gänsehaut entlang ihres Arms,
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