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Eiswind - Gladow, S: Eiswind

Titel: Eiswind - Gladow, S: Eiswind
Autoren: Sandra Gladow
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schlug. »So jung!«, fuhr sie fort. »Furchtbar!«
    Sie blickte Aufmerksamkeit heischend in die Runde, bevor sie mit leiser Stimme und konspirativer Miene fortfuhr: »Ich hab ja schon immer gedacht ›Mädchen, Mädchen, Mädchen‹.« Sie schnalzte fast. »Dieser Aufzug, die engen Hosen … Na ja, ich will ja nichts sagen, aber wen wundert’s?«
    Frau von Hacht machte eine Kunstpause. »Aber«, fuhr sie fort, »das Kind hat sich ja doch immer zur Schau gestellt, nicht?«
    Sie blickte, den Kopf gesenkt, mit hochgezogenen Brauen in die Runde, um den anderen Gelegenheit zu geben, ihre analytische Erkenntnis auf sich wirken zu lassen.
    Herr Burmeister blickte betreten zur Seite.
    »Also«, setzte sie erneut an, »wenn Sie meine Meinung wissen wollen …«
    »Ihre geschätzte Meinung ist uns natürlich sehr wichtig«, unterbrach Hauptkommissar Braun, der den
leicht ironischen Unterton in seiner Stimme nicht zu unterdrücken vermochte. »Nicht ganz so wichtig, aber ebenfalls nicht zu vernachlässigen, sind jedoch natürlich die Fakten.«
    Sie hatte die Ironie in seiner Stimme nicht bemerkt und gab geschmeichelt zurück: »Natürlich, Herr Kommissar, das ist doch selbstverständlich.«
    »Und deshalb«, präzisierte Braun, »würde es mich zuallererst einmal interessieren, was Sie beobachtet haben.«
    »Ja also«, seufzte sie. »Wo fang ich da an?«
    »Ganz von vorne!« Braun schenkte ihr sein unter diesen Umständen schönstes Lächeln.
    Frau von Hacht berichtete ihren Zuhörern daraufhin zunächst in epischer Breite von den Schlafgewohnheiten ihres Hundes, bis sie endlich kundtat, den Parkplatz am Morgen gegen halb neun erreicht zu haben.
    Braun wusste, dass man ihr bis zu einem gewissen Grad den Freiraum zum Erzählen gewähren musste. Es brachte nicht viel, Zeugen wie Frau von Hacht zu unterbrechen, um zum Kern der Sache zu gelangen. Im Gegenteil, unter Umständen bestand die Gefahr, dass sie sich beleidigt fühlte und so wertvolle Informationen verborgen blieben.
    Denn irgendwo zwischen den Erzählungen über die Lebensgewohnheiten ihres Hundes und den etwaigen Lebensweisheiten würde sie möglicherweise Beobachtungen erwähnen, deren Relevanz sie unter Umständen überhaupt keine Bedeutung beimessen würde, weil sie allzu sehr mit sich selbst beschäftigt war. Er hoffte
inständig, dass der Zeuge, der die Leiche gefunden hatte, ein etwas weniger weitschweifiges Naturell besaß.
    »Also, ich kam also um halb neun hierher, wie gesagt«, fuhr sie – nunmehr nur noch Bendt zugewandt – fort. »Ich gucke also, wer schon da ist.«
    »Und wer war dort?«, fragte Bendt.
    »Der Herr Burmeister, der Herr Woltereck und«, sie senkte erneut die Stimme, »die Tote.«
    Bendt und Braun sahen sie mit einer Mischung aus Entnervung und Irritation an. »Die haben Sie am Parkplatz gesehen?«, hakte Braun nach, der natürlich die Antwort kannte.
    »Aber nein«, antwortete sie, als wäre der Hauptkommissar völlig begriffsstutzig. »Die war doch schon längst tot!«, ergänzte sie ungehalten, während sie energisch ihren Kopf schüttelte.
    Dann ergänzte sie mit einem Blick zu Bendt, der verriet, dass sie nur von ihm Verständnis zu erwarten schien: »Ich wusste das natürlich wegen des Autos.«
    »Also haben Sie zunächst niemanden gesehen, sondern aufgrund der Fahrzeuge, die Sie kannten, geschlussfolgert, wer noch im Wald war?«, fragte Bendt weiter.
    »Das ist völlig richtig«, gab sie zurück und blickte Bendt mit dem Stolz einer Lehrerin an, deren Musterschüler gerade das Abitur mit einer glatten Eins bestanden hatte.
    »Mir kam das komisch vor«, fuhr sie fort, »dass die Tote da war.« Sie deutete auf den etwa vierzig Meter entfernt stehenden Jeep. »Oder nur ihr Auto«, ergänzte
sie mit einem abschätzigen Blick in Brauns Richtung, bevor sie sich wieder Bendt widmete. »Um diese Zeit ist sie eigentlich am Wochenende nicht da.«
    Bendt bedeutete ihr mit einem Blick, dass er mehr hören wollte.
    »In der Woche kam sie eigentlich immer eher um sieben, halb acht.«
    »Und woher wissen Sie das?«, wollte jetzt Hauptkommissar Braun wissen.
    »Der Herr Woltereck hat mir das erzählt«, antwortete sie.
    »Und der wiederum weiß es woher?«, fragte Bendt.
    »Der ist häufig schon sehr früh am Morgen hier«, schaltete sich jetzt schüchtern Herr Burmeister ein, der von Frau von Hacht sofort mit einem mahnenden Blick in die Schranken gewiesen wurde.
    »Also«, setzte sie wieder an, »am Wochenende kam die Tote«, sie unterbrach sich
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