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Eiswind - Gladow, S: Eiswind

Titel: Eiswind - Gladow, S: Eiswind
Autoren: Sandra Gladow
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ihr den Dienst.
    »Was …?«, war das einzige Wort, das sie angstvoll zwischen ihren Lippen hervorpressen konnte. Sie schrak zusammen, als das Messer vor ihr aufblitzte und mit einem ersten dumpfen Stoß in ihren Bauch eindrang. Er packte sie an der Kehle und stieß sie gewaltsam gegen einen Baum. Ihr wurde schwindelig, und ihre Knie wurden weich.
    Seine Augen brannten vor Hass. »Du trägst die Schuld!«, krächzte er heiser und stach erneut zu.
    Verständnislos starrte sie mit aufgerissenen Augen auf das Blut, das aus ihrem Bauch hervorquoll. Als die scharfe, glänzende Klinge ihre Kehle durchschnitt, sackte sie zusammen, bevor sich die Stille in friedvoller Dunkelheit über ihr ausbreitete.

1. KAPITEL
    A nna Lorenz umkreiste inzwischen zum dritten Mal unschlüssig die mit weißen Damastdecken überzogene Tafel, auf der das Buffet aufgebaut war. Die köstliche Auswahl hätte an sich geeignet sein sollen, Anna, die für ihr Leben gern gut aß, ein wenig aufzuheitern. Vitello tonnato, Carpaccio, eingelegte Möhren mit Pinienkernen und gemischte Pilze waren nur einige der italienischen Antipasti, die sie liebte und die sie neben unzähligen weiteren Köstlichkeiten bei anderer Gelegenheit sicher mit Wonne auf ihrem Teller aufgetürmt und genüsslich verzehrt hätte.
    Die gleichermaßen geschmackvolle wie appetitliche Art, in der eines der renommiertesten Catering-Unternehmen der Stadt alles auf großen, weißen Keramikplatten angerichtet hatte, war ein Augenschmaus. Anna hatte auch nichts anderes erwartet. Sie war jedes Mal beeindruckt, wenn sie die großzügige Gründerzeitvilla der befreundeten Familie von Rehbens betrat, deren Anwesen im Ortsteil St. Gertrud direkt an den Stadtpark grenzte.
    Anna ließ ihren Blick über die Gäste schweifen. Davon abgesehen, dass sie sich ohnehin kaum in der Lage fühlte, einen Bissen herunterzubringen, wusste sie
schon gar nicht, auf welchen der aufgestellten Stehtische sie zum Essen zusteuern sollte. An nahezu jedem von ihnen stand einer ihrer sogenannten Freunde, und sie hatte nicht die geringste Lust, sich mit einem von ihnen zu unterhalten. Die meisten hatte sie seit einer Ewigkeit nicht gesehen, und schon die überschwänglich zelebrierten Begrüßungsrituale bei ihrer Ankunft waren eine Qual für sie gewesen. Dennoch hatte sie sich für jeden von ihnen ein Lächeln abgerungen und sich bedankt, wenn es hieß, sie sähe gut aus – was eine Lüge war.
    Sie gab sich einen Ruck und entschied sich, einfach ein wenig von jeder der Vorspeisen zu probieren. Vielleicht ließ sich so wenigstens das flaue Gefühl in der Magengrube vertreiben. Sie dekorierte eine ansehnliche Portion Antipasti auf ihrem Teller, griff sich noch ein Stück Ciabatta-Brot und steuerte durch die breite Flügeltür der luxuriösen Halle auf Georg zu, der mit seiner Frau Sabine an einem Tisch im Wohnzimmer stand. Sabine und Georg tauschten einen besorgten Blick aus. Die dunklen Ringe unter Annas Augen ließen sich ebenso wenig verbergen wie ihr Gewichtsverlust. Georg verwickelte sie sogleich übereifrig in eine belanglose Unterhaltung über das Essen und den Champagner, bevor er auf die üblichen Probleme mit seinen Angestellten zu sprechen kam.
    Noch vor einem Jahr hätte Sabine ihn nach kürzester Zeit unterbrochen und ihn charmant, aber doch unumwunden für sein ewiges Gerede über »diesen Firmen-Quatsch« gescholten. Nun aber war sie ersichtlich
froh, dass Georg dieses schier unerschöpfliche und gleichermaßen unverfängliche Thema aufgegriffen hatte.
    Anna stellte einmal mehr fest, dass das Bemühen der Leute, sensible Themen zu vermeiden, schmerzhafter für sie war als die eigentliche Konfrontation mit ihren Problemen. Sogar Georg war ihr ein wenig fremd geworden, obwohl er einer ihrer besten Freunde war.
    Seine sprühenden dunklen Augen, sein gesunder Ehrgeiz und seine Begabung waren ihr in ihrer gemeinsamen Studienzeit stets ein Ansporn gewesen. Er strahlte mit seinen fast vierzig Jahren einen Optimismus und zugleich eine Unbeschwertheit aus, die die meisten Menschen seines Alters längst verloren hatten. Seine Ausstrahlung war ebenso bestechend wie typisch für jene, denen das Schicksal eine Karriere auf der Überholspur beschert und das private Glück gratis auf dem Silbertablett dazu serviert hatte. So wie sich in Annas Gesicht die Verluste und die Trauer der vergangenen Monate eingegraben hatten, waren seine feinen Züge Zeugnis seines Erfolges.
    Sie erschrak, als Tom von hinten an ihren Tisch
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