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Eiswind - Gladow, S: Eiswind

Titel: Eiswind - Gladow, S: Eiswind
Autoren: Sandra Gladow
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Braun kritisch.
    Bendt schüttelte energisch den Kopf. »Wir haben es
mit einer Dame zu tun«, er zog gewichtig die Augenbrauen nach oben, »die von sich nicht nur behauptet, in diesem Wald jeden Baum zu kennen, sondern auch jeden Spaziergänger.«
    Er stieß einen leicht abfälligen Seufzer aus und beschrieb dann die Zeugin. »Ungefähr fünfundfünfzig Jahre alt, rote Fingernägel, Pelzmantel, Besitzerin eines stolz getrimmten Pudels, der mutmaßlich nicht nur Kind-, sondern auch Partnerersatz darstellt, lässt keinen Plausch über ihren Vierbeiner mit den anderen Hundebesitzern aus«, referierte Bendt und fügte nach einer kurzen Pause seufzend hinzu: »Du weißt, was ich meine.«
    Braun rollte die Augen gen Himmel und nickte.
    »Wir haben voraussichtlich auch schon ihre Personalien«, ergänzte Bendt, den Blick der Leiche zugewandt.
    Fischer und Braun horchten erstaunt auf und folgten seinen Ausführungen mit steigendem Interesse.
    »Die Zeugin hat einen grünen Geländewagen auf dem Parkplatz als Wagen der Toten identifizieren können. Wir haben das Fahrzeug geöffnet und die Fahrzeugpapiere gefunden. Sofern es sich bei der Toten um die Halterin des Wagens handelt, was wahrscheinlich ist, dürfte es sich um Sabrina Mertens handeln.«
    »Wer hat sie überhaupt gefunden?«, fragte Braun, als ihm wieder bewusst wurde, wie erbärmlich er fror, weshalb er, ohne eine Antwort abzuwarten, in Richtung Fischer hinzufügte: »Wenn wir hier für den Moment fertig sind, sollten wir loswandern.«

    Fischer bestätigte mit einem Kopfnicken, dass es nichts weiter zu besprechen gab.
    »Gut«, sagte Hauptkommissar Braun erleichtert. »Wann kriegen wir von dir Genaueres, Karl?«
    Fischer seufzte. »Ich mach, wie immer, so schnell ich kann«, sagte er. »Ich ruf dich an, sobald ich dir Genaueres sagen kann.«
    »Gut«, sagte Braun, jetzt Bendt zugewandt, »dann lass uns gehen.«
    Sie verabschiedeten sich von Fischer und marschierten los. Bendt musste sich erst einmal orientieren, um das Quietschen, das er vernahm, Hauptkommissar Brauns Schuhen zuzuordnen.
    »Ich will nichts hören«, kommentierte dieser mit einem übertrieben strengen Blick in Richtung seines Kollegen, während er voranstapfte, »oder du wirst versetzt.«
    Bendt konnte sich zwar ein Grinsen nicht verkneifen, enthielt sich aber für den Moment eines weiteren Kommentars. Ihr gutes kollegiales Verhältnis erlaubte ihnen trotz des Altersunterschieds einen lockeren Umgang miteinander, der es ihnen an Tagen wie diesem einfacher machte, das grauenvolle Alltagsgeschäft zu bewältigen.
    »Also, wer hat sie gefunden?«, griff Braun seine letzte Frage wieder auf, als sie den von Tannennadeln und Zweigen übersäten Waldboden verlassen hatten und auf den Weg zurückgekehrt waren. Er stellte erleichtert fest, dass es aufgehört hatte zu regnen und der Himmel aufbrach.

    »Ein Hundebesitzer hat sie gefunden«, antwortete Bendt. »Genauer gesagt, eigentlich nicht er «, er erhob vielsagend die Stimme, »sondern Daisy.«
    »Und wer ist das?«, fragte Braun.
    »Daisy ist sein Dackel«, erklärte Bendt. »Er ist ihm ausgebüxt und hat wohl so lange vor der Leiche gesessen und gebellt, bis er ihm nachgestiegen ist und ihn gefunden hat. Er war ziemlich durcheinander«, fuhr er fort, »es hat eine gewisse Zeit gedauert, bis wir herausgekriegt hatten, dass Daisy ein Hund ist und nicht vernommen werden kann.«
    Hauptkommissar Braun lachte bitter auf. »Sie ist seit mindestens vierundzwanzig Stunden tot, schätzt Fischer«, sagte er dann versonnen.
    Es entstand eine Pause. Beide wussten, was das bedeutete. Je länger die Tatzeit zurücklag, umso schwieriger würde es sein, Zeugen zu finden, die ihnen wertvolle Informationen liefern könnten. Denn wesentlich würden nur alltägliche Wahrnehmungen sein, die zur mutmaßlichen Tatzeit am Parkplatz oder im Wald gemacht wurden. Ein Fahrzeug, ein Fahrrad oder Mofa, das Zeugen vielleicht gesehen, jedoch schnell vergessen haben würden, weil es ihnen nicht wichtig schien. Gegebenenfalls auch Menschen, die ihnen begegnet waren.
    Die Hundebesitzer, die den Wald zu ihren allmorgendlichen Spaziergängen aufsuchten, mochten sich heute noch erinnern, wen sie vor wenigen Stunden auf dem Parkplatz gesehen hatten. Mit jedem weiteren Tag aber würde es schwieriger für sie festzustellen, ob
sich etwas gestern, vorgestern oder vorvorgestern abgespielt hatte.
    Hauptkommissar Braun hatte seine Wahrnehmungen oft im Selbstversuch getestet und sich aus
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