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Eiswind - Gladow, S: Eiswind

Titel: Eiswind - Gladow, S: Eiswind
Autoren: Sandra Gladow
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Ordnung, haben die Ärzte gesagt«, sagte er mit Nachdruck. »Du musst nur ruhig liegen.«
    Annas Augen hatten einen fiebrigen Glanz. Sie wusste offensichtlich nicht, wo sie war.
    »Hubert?«, fragte sie tonlos, »Hubert?«
    »Keine Sorge«, beruhigte Bendt. »Er ist putzmunter und in Sicherheit.«
    Sie atmete tief, und ein Stück der Anspannung schien sich zu lösen.
    »Oberstaatsanwalt Tiedemann …«, setzte sie dann an, er ließ sie jedoch nicht weitersprechen. Sie schien ihm noch zu schwach, um zu erfahren, dass er tot war.
    Ihre Gedanken schienen ein Meer wilder Fantasien zu sein. Sie halluzinierte offenbar, sprach immer wieder von Tiedemann und einem Messer. An eine Vernehmung war noch lange nicht zu denken, dennoch hoffte Bendt, aus ihren wirren Ausführungen irgendetwas entnehmen zu können, das ihm den Täter ein Stück näher bringen würde. Bisher wusste Anna allerdings nur von dem Anruf eines Kommissars Schmidt zu berichten, der sie anscheinend zu einem Tatort gerufen hatte. Was im Wald geschehen war, war bislang bloße Spekulation.
    Die Rückverfolgung des Anrufs, den Anna entgegengenommen hatte, hatte zu einer öffentlichen Telefonzelle geführt. Man konnte nur mutmaßen, dass der Täter Anna bei der Ausstrahlung der Pressekonferenz als weiteres potenzielles Opfer auserwählt hatte.
    Oberstaatsanwalt Tiedemann war vor den Beamten der Kriminalpolizei am Tatort gewesen. Bendt hatte
ihn gesprochen, unmittelbar bevor er in das Waldstück hineingegangen war, um Anna zu suchen. Alles, was danach passierte, war bislang im Dunkeln geblieben.
    Man vermutete, dass es Tiedemann gelungen war, den Täter von seinem Vorhaben abzubringen. Anna war einem Mordversuch offensichtlich um Haaresbreite entgangen. Vermutlich war er gemeinsam mit Anna vor dem Frauenmörder geflüchtet. Gänzlich unklar war, ob der Täter Tiedemann den Abhang hinuntergestürzt hatte, oder ob der Oberstaatsanwalt während der Verfolgung selbst zu Fall gekommen war.
    Bendt wusste nur, dass Anna diesem Mann zu tiefer Dankbarkeit verpflichtet war. Höchstwahrscheinlich hatte er ihr die Flucht ermöglicht und so ihr Leben gerettet.
    Die Ärzte sprachen hinsichtlich Annas Bewusstseinslage von einer partiellen Amnesie. Sie hatte in den letzten Tagen sehr viel durchmachen müssen. Der Kommissar war glücklich, dass sie lebte. Es war reiner Zufall, dass sie nicht wie Oberstaatsanwalt Tiedemann die Böschung hinuntergestürzt war. Anders als Tiedemann hatte Anna ganz augenscheinlich einen Schutzengel gehabt.
    Bendt hoffte, dass dieser auch für ihr Kind einstehen möge. Als er erfahren hatte, dass Anna schwanger war, hatte es ihm einen Stich ins Herz versetzt. Er konnte nur vermuten, dass dieser Georg der Vater des Kindes war, wenngleich er nicht gewusst hatte, dass Anna eine Beziehung mit ihm führte.

    Als er in der Nacht des Unwetters in Annas Haus nach Hinweisen gesucht hatte, war ihm klar geworden, dass es ihm um mehr gegangen war als darum, eine Kollegin der Staatsanwaltschaft zu retten. Er hätte es sich nie verziehen, wenn er zu spät gekommen wäre.

41. KAPITEL
    D ie enge, mit Kopfsteinpflaster versehene Gasse lag friedlich eingebettet zwischen den Bürgerhäusern der Lübecker Altstadt. Man hätte sich um einige Jahrhunderte zurückversetzt fühlen können, wenn nicht die auf der Straße spielenden Kinder mit ihren Crossrädern, Baseballcaps und Eastpak-Rucksäcken die untrüglichen Merkmale ihrer Generation zur Schau getragen hätten.
    Kommissar Bendt war nicht wohl bei dem Gedanken, dass der Täter möglicherweise hier, in einer der malerischsten Gegenden der Stadt, zu Hause sein sollte.
    Der Name Jörg Schleedorf war auf dem vergilbten Türschild verzeichnet. Bendt blickte sich um. Hauptkommissar Braun signalisierte ihm mit einem Kopfnicken, dass die Einsatzkräfte sich bereits formiert hatten.
    Bendt stand unter Hochspannung. Die Auswertung der Tagebucheintragungen von Sabrina Mertens hatte sie auf die Spur des Verdächtigen geführt, und er hoffte, dass er mit seinem Instinkt richtig lag und die Wohnungsdurchsuchung zum Erfolg führen würde.
    Die Haustür stand offen. Die Kommissare stiegen
die knarrende Holztreppe des dunklen Flures in den ersten Stock hinauf und blieben vor der Wohnungstür stehen, bis sich zwei weitere Beamte auf der Treppe in Position gebracht hatten. Das Haus war nun von allen Seiten gesichert. Jörg Schleedorf hatte nicht die geringste Möglichkeit zur Flucht.
    Bendt betätigte den Klingelknopf an der Wohnungstür
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