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Eiswind - Gladow, S: Eiswind

Titel: Eiswind - Gladow, S: Eiswind
Autoren: Sandra Gladow
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habe sie durch Zufall wiedergesehen. Ina war über Jahre verschwunden«, wiederholte er, »und plötzlich war sie wieder da.«
    »Im Cube, nicht wahr?«, sprach Bendt seine Vermutung aus. »Sie haben sie im Cube mit ihren Freundinnen beim Tanzen gesehen.«
    Schleedorf nickte. »Das Schicksal hat mir ein Geschenk gemacht«, sagte er leise. »Sie war plötzlich da. Ich hatte mit ihrer Freundin gechattet. Ich wollte eigentlich nur sehen, wie die Frau aussah, die mich so gerne kennenlernen wollte, und dann stand sie da.«
    Bendt begann langsam zu verstehen. Offenbar war Schleedorf eine über Jahre tickende Zeitbombe gewesen. Als er Sabrina Mertens wiedergetroffen hatte, war sie zu einer fixen Idee geworden, die er erst verfolgt und dann getötet hatte. Weil er ihren Mord als solche Befriedigung empfand, suchte er im Internet nach weiteren Frauen, die ihr ähnlich sahen und die er nach dem gleichen Muster töten konnte.

    »Sie sind ihr in der Nacht vor dem Mord ins Cube gefolgt, nicht wahr?«, fragte Bendt.
    Schleedorf nickte. »Ich bin ihr so oft dorthin gefolgt«, sagte er dann. »Nach dem ersten Mal, als ich sie gesehen habe, bin ich immer wieder hin zu der Bar, habe dort vor dem Fenster gestanden und sie angeschaut.«
    »Warum haben Sie sie in jener Nacht getötet?«, fragte Bendt weiter.
    Schleedorf wiegte seinen Kopf von einer Seite zur anderen. »Ich habe lange darüber nachgedacht, sie zu töten«, sagte er dann. »Ich wusste, dass es irgendwann vorbei sein musste.«
    »Warum gerade in jener Nacht?«, wiederholte Bendt. »Wollen Sie mir nicht im Wohnzimmer davon erzählen? Wir gehen dort rüber, und Sie erzählen mir die ganze Geschichte.«
    Jörg Schleedorf fingerte erneut nervös am Abzug der Waffe herum, ohne Bendts Angebot zu kommentieren.
    Der Kommissar fluchte innerlich. Das Badezimmer verfügte nur über ein kleines Lukenfenster. Es gab keine Möglichkeit für seinen Kollegen Braun oder die anderen Beamten, von hinten an Schleedorf heranzukommen und ihn zu überwältigen.
    »Ferdi hat sie mir weggenommen«, winselte Schleedorf jetzt und biss sich auf die Unterlippe. »Er hat sie mir einfach weggenommen …«
    »Das durfte er nicht tun«, log Bendt. »Ich verstehe, dass Sie böse darüber sind.«

    Schleedorf führte seine verkrampfte linke Hand zum Mund und begann, sich auf die Fingerkuppen zu beißen. »Böse, böse, böse«, wiederholte er.
    »Ferdinand kann Ihnen nie wieder eine Frau wegnehmen«, sagte Bendt ruhig.
    »Nein, das kann er nicht«, krächzte Schleedorf hasserfüllt. »Ich habe dafür gesorgt, dass er mir nie wieder jemanden wegnehmen kann!«
    Er schien Vertrauen zu fassen. Bendt wollte nicht Gefahr laufen, dass er ihm wieder entrückte. »Hat Sabrina Sie abgewiesen?«, sprach er seine Vermutung aus. »Haben Sie sie an jenem Abend in der Bar angesprochen, und sie hat Sie erkannt?«
    »Sie hat mich sofort erkannt!«, sagte Schleedorf mit bebender Stimme. »Und sie hat mich angesehen. Sie hat mich voller Hass angesehen. Sie hat es nicht verstanden. Sie musste sterben!«
    »Woher hatten Sie in jener Nacht den Köder?«, wollte Bendt wissen und machte fast unmerklich einen weiteren Schritt auf Schleedorf zu.
    »Ich hatte den Köder für den Hund schon lange bei mir. Der Hund störte, er musste weg«, antwortete Schleedorf, als sei dies selbstverständlich.
    »Und warum Anna Lorenz, die Staatsanwältin?«
    Über Schleedorfs Gesicht huschte ein Ausdruck, der sein Unverständnis dokumentierte. »Sie wohnt in einer Festung«, sagte er dann auch nur. »Ich hätte sie gerne besucht.«
    »Jetzt geben Sie mir Ihre Waffe«, sagte Bendt sanft und streckte seine Hand aus.

    Für einen kurzen Moment schien Schleedorf seinen Widerstand aufgeben zu wollen, doch dann ließ ihn ein lautes Poltern im Flur aufschrecken. Er blickte den Kommissar aus weit aufgerissenen Augen an, als der Schuss seiner Pistole durch den Raum hallte.
    Jörg Schleedorf war sofort tot.

KAPITEL
    S echs Monate später
    Die ruhige Stimme von Dr. Mibrodt drang dumpf in ihr Bewusstsein. »Sie müssen jetzt atmen. Atmen für Ihr Kind!«, sagte er streng.
    Anna kämpfte. Ihr Blutdruck war binnen Sekunden abgesackt, nachdem man ihr die Rückenmarkspritze verabreicht hatte. Die Anästhesistin kämpfte mit der Braunüle in Annas Armbeuge und stocherte, als sie keine Vene fand, wild an der Schlagader ihres Handgelenks herum.
    Anna stöhnte auf, und Tränen rannen ihr über das Gesicht. Es war wieder eine Frühgeburt, der Zustand erneut kritisch.
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