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Eisprinzessin

Eisprinzessin

Titel: Eisprinzessin
Autoren: Lisa Graf-Riemann
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den Termin zu bitten und ihn auch wahrzunehmen.
    Doch Fischer hatte sich ganz umsonst Sorgen gemacht. Czerny weigerte sich, einer so langen Beurlaubung zur Klärung von Fischers Liebesangelegenheiten zuzustimmen. Es würde für Elmar Fischer also keine Schonzeit geben, in der er sein neues Leben antesten, seine Liebe leben und herausfinden konnte, ob es sich bei ihr wirklich um die eine, die große, die unsterbliche handelte oder doch nur um ein Strohfeuer. Er musste ins kalte Wasser springen, aber genau das hatte er ja von Anfang an gewollt.
    * * *
    Auf Fischers Abschiedsfeier wurde ihnen der neue Kollege vorgestellt, Kommissar Axel Brunner aus Nürnberg, Franke wie sein Vorgänger, aber doch aus gänzlich anderem Holz geschnitzt. Und das hatte nicht nur, aber auch etwas mit seiner sexuellen Orientierung zu tun.
    Brunner war Ende dreißig, ledig, an der Langhantel groß geworden und scharf auf alles, was zwei X-Chromosomen besaß und unter fünfundvierzig war. Dass er bei den Kollegen gut ankam, das hätte Meißner ihm ja noch gegönnt, aber als er sah, dass Marlu im Handumdrehen seinem Charme zu erliegen drohte, regten sich bei ihm die ersten massiven Ressentiments gegen den Neuen. Dass der Tom-Selleck-Verschnitt ihm in den nächsten Monaten seinen Beruf fast vergällen und ihn selbst zu quälenden Selbstzweifeln und an den Rand der Verzweiflung bringen sollte, das hätte Meißner sich zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht träumen lassen.
    Statt einfach seinen Job zu beginnen, sich im Alltag zu bewähren und den Kollegen und Vorgesetzten im täglichen Kleinkrieg mit Bürokratie, Justizbehörden und Exekutive zu zeigen, wie man tickte, wo die eigenen Stärken und Schwächen lagen, wie weit es mit der eigenen Geduld, der Fähigkeit zuzuhören, zuzupacken, zu entscheiden oder zu zaudern, stand, kurz: Statt es einfach langsam und ohne großes Trara angehen zu lassen und Gelegenheiten zu schaffen, in denen man sich nach und nach kennenlernte, feierte der Neue einen für Meißners Geschmack etwas zu pompösen und gleichzeitig einen Tick zu patriotischen und banalen Einstand. Am liebsten hätte Brunner wahrscheinlich seine Mama aus Nürnberg-Feucht einfliegen lassen, damit sie den Kollegen in Ingolstadt die authentische »frängische« Küche nahebrachte. Die Mutter blieb ihnen glücklicherweise erspart, nicht jedoch die durch einen Caterer in Edelstahlwannen mit silberner Haube angelieferten echten Nürnberger Rostbratwürste, das obligatorische Sauerkraut als Beilage und die Brezen, die, wie Brunner extra bemerkte, natürlich ebenso »frängisch« waren, nur so aussahen wie die oberbayerischen Vertreter ihrer Art, aber um ein Vielfaches besser schmeckten, was Meißner nach den ersten Bissen jedoch beim besten Willen nicht bestätigen konnte.
    Was die Franken für ein Gewese um ihre Bratwürste machten, hatte er sowieso noch nie verstanden. Die Nürnberger Fußgängerzone war vom Bahnhof weg gepflastert mit Würstchenbuden, von denen jede zweite so tat, als habe mindestens ein Alfons Schuhbeck, Eckart Witzigmann oder Johann Lafer höchstpersönlich die Rezeptur für die fettigen Fleischröllchen zusammengestellt – oder irgendein »frängischer« Spitzenkoch, den außerhalb der Metropole an der Pegnitz niemand kannte.
    Ein Catering von Schuhbeck wäre Meißner in jedem Fall lieber gewesen als die Würstchen von Brunner, denn mit der Hausmannskost hatte er es eigentlich nicht so. Natürlich konnte man die Würstchen, das Sauerkraut und die Brezen essen, aber musste man deshalb gleich so stolz darauf sein, dass man vor lauter Zufriedenheit dreihundert Jahre nichts Neues mehr erfand?
    »Jetzt mach dich mal locker, Stefan«, sagte Marlu und biss in eine Bratwurst, die sie auf ein mitgeliefertes Holzgäbelchen gespießt hatte. »Was hast du denn schon wieder?«, fragte sie und richtete die Wurst auf ihn. »Du wirkst total angespannt. Hat dir Kollege Brunner vielleicht irgendwas getan?«
    Meißners ohnehin schon nicht besonders großer Appetit auf Wurst war schlagartig verschwunden. Ihm war bewusst, dass er humorlos und wahrscheinlich ungerecht war, aber er konnte den Kollegen Brunner schon jetzt nicht ausstehen.
    Wie es das Schicksal wollte, wurde Meißners Bauchgefühl kurz darauf bei der ersten Vernehmung, bei der Brunner zugegen war, bestätigt. An der A 9, Raststätte Köschinger Forst, war ein Reisebus kontrolliert worden, der von Leipzig über Nürnberg, Ingolstadt und München nach Wien unterwegs war. Die Kollegen
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