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Eisprinzessin

Eisprinzessin

Titel: Eisprinzessin
Autoren: Lisa Graf-Riemann
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dezenten Kleidungsstil hatte er noch nie etwas gehalten. Er pflegte sein Äußeres nun vielleicht noch ein bisschen aufwendiger als früher und wirkte nur manchmal und vorübergehend etwas abwesend und verträumt, aber das meinten seine Kolleginnen und Kollegen vielleicht auch nur zu sehen, weil sie es eben gern sehen wollten. Insgesamt schien Fischer seine fünf Sinne beieinanderzuhalten und wirkte auch nicht unvernünftiger als sonst.
    Umso überraschender kam für Stefan Meißner, der ihn sehr genau beobachtete, seine Ankündigung im Oktober, den Dienst quittieren zu wollen.
    »Bist du verrückt geworden?«, war alles, was er zunächst dazu sagte. »Wir sind doch hier nicht im Schlachthaus oder in der Fleischfabrik. Mensch, Elmar, du bist Beamter. Du hast dich jahrelang für diesen Beruf ausbilden lassen. Du hast nichts anderes gelernt als Kriminaler, Beamter, Staatsdienst.« Konnte ein Mensch durch Liebe so schnell derart verblöden?
    »Soll ich dir was sagen, Stefan? Ich scheiße auf den Staatsdienst und den Beamten. Ist mir alles nicht mehr wichtig beziehungsweise war es mir noch nie so wichtig wie dir.«
    »Ah, ja, alles klar. Davon hab ich bisher aber noch gar nichts mitbekommen. Du hast immer den Eindruck vermittelt, der Job mache dir Spaß und würde dir auch liegen. Auch wenn’s nach außen nicht immer so aussah, habe ich doch das Gefühl gehabt, dass du hierhergehörst.«
    Dass er auch für die Farbenpracht, Fischers Unkonventionalität, einfach sein gesamtes Anderssein, das konstant frischen Wind in den alten Backsteinbau brachte, dankbar war und in Zukunft nicht darauf verzichten wollte, sagte Meißner nicht. Das dachte er sich nur.
    »Ach, weißt du, bei der Ingolstädter Kripo Bürokram erledigen, ab und zu Verbrecher jagen und ansonsten den Paradiesvogel geben, das hat schon was gehabt. Aber immer muss ich das nicht machen. Jetzt ist eben was anderes wichtiger, und beides zusammen geht nicht.«
    »Wieso denn nicht?«, wandte Meißner ein. »Dein Promifriseur hat doch auch einen Beruf, sein eigenes Leben und seine Leute. Der würde doch auch nicht alles hinschmeißen wegen einer Beziehung, die jetzt wie lange geht?«
    »Die Zeit spielt dabei überhaupt keine Rolle, Stefan. Ich weiß es einfach, dass das die große Liebe ist und ich mit diesem Mann leben will. Ist dir das denn selbst noch nie passiert?« Eine rhetorische Frage. Fischer starrte Meißner kurz an und redete dann weiter, ohne eine Antwort abzuwarten. »Und jetzt mal ganz ehrlich, Stefan. Wenn du Promifriseur wärst und in Ibiza in einer Sechs-Zimmer-Villa mit Pool, Spa und Hauspersonal leben würdest, würdest du dann tatsächlich in Betracht ziehen, deinen Beruf aufzugeben, deine Villa zu verkaufen und wegen eines Kripobeamten, seiner Stelle auf Lebenszeit und der Beamtenpension nach Ingolstadt überzusiedeln?«
    »Vom Mittelmeer an die Donau und dann hier die Promifriseurszene aufmischen«, sagte Meißner, »wär das vielleicht nichts?«
    » Njet«, antwortete Fischer und streckte seinen Daumen theatralisch nach unten.
    »Das heißt no und nicht njet «, mischte sich jetzt Marlu ein, die an der offenen Tür stehen geblieben war. »Aber was willst du dort machen, ich meine, wovon willst du leben?«
    »Er macht ein Detektivbüro für die Damen und Herren der Ibiza-Schickeria auf, die sich betrogen oder hintergangen fühlen oder sich einfach nur wichtigmachen wollen«, sagte Meißner.
    »Oh, ja, ich kann mir Elmar echt gut als Privatdetektiv vorstellen. In einem Büro mit Deckenventilator, die Füße lässig auf den Schreibtisch gelegt und dabei gewandt in fremden Zungen parlierend.« Die Phantasie ging mit Marlu durch.
    »Auf Ibiza haben bestimmt alle Wohnungen eine Klimaanlage«, vermutete Meißner. »Deckenventilatoren gibt’s in der ›Havana Bar‹ in Ingolstadt, und das wahrscheinlich auch nur wegen Hemingway und der Nostalgie.«
    Elmar Fischer versicherte ihnen glaubhaft, dass sie sich um seine Zukunft keine Sorgen machen müssten. Er sei jung, schön und klug, und zur Not würde er eben noch eine Friseurlehre draufsatteln.
    Meißner schüttelte den Kopf, konnte ihn aber anschließend dazu überreden, in einem Gespräch mit ihrem Vorgesetzten Czerny die Möglichkeit einer vorläufigen längeren Beurlaubung zu besprechen. Obwohl Fischer die Vorstellung zunächst nicht schmeckte – er war nicht der Typ für Reißleine und doppelten Boden, sondern eher für einen Salto mortale –, versprach er Meißner, um der alten Zeiten willen um
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