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Eisnacht

Eisnacht

Titel: Eisnacht
Autoren: Sandra Brown
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du angerufen hast? So schrie es in ihrem Kopf. Laut fragte sie: »Wie geht es deiner Schulter?«
    »Die ist brandneu. Sie haben die alte gegen eine aus Plastik ausgetauscht, die angeblich haltbarer und praktisch unzerstörbar ist.«
    »Stört sie dich?«
    »Nicht besonders.«
    »Das sagst du bei jeder Verletzung.«
    Er hielt ihren Blick einen Moment gefangen und sagte dann leise: »Manche schmerzen mehr als andere.«
    Sie drehte den Kopf zur Seite, um sich der magnetischen Kraft seiner blauen Augen zu entziehen. Zahllose Male hatte sie sich gefragt, was sie wohl sagen und tun würde, wenn sie ihn wiedersah - falls sie ihn wiedersah.
    Nun, dass sie ihn wenigstens einmal wiedersehen würde, hatte sie gewusst. Das musste sein. Aber was sie danach erwarten sollte, hatte sie nicht gewusst.
    Sie hatte sich mehrere Möglichkeiten zurechtgelegt, diese Szene zu spielen, angefangen von kühler Distanz bis zu leidenschaftlicher Hingabe. Jetzt wollte ihr keine Zeile aus irgendeinem dieser Phantasieszenarien einfallen. »Ich nehme an, du musstest zur Physiotherapie gehen.«
    »Ich war mehrere Wochen in der Reha.«
    »In einer Klinik festzusitzen hat dich bestimmt zum Wahnsinn getrieben.«
    »Allerdings. Aber mir ging es immer noch besser als den meisten anderen Patienten dort. Scott Hamer zum Beispiel.«
    »Ja, ich habe von seinem Unfall gehört.«
    »Es war kein Unfall.« Offenbar merkte er ihr die Überraschung an; »Er und ich haben im Krankenhaus lange geredet. Er hat mir erzählt, dass er das Seil absichtlich losgelassen hat.«
    »Warum?«
    Mit wachsender Bestürzung hörte sie, dass Wes seinen Sohn mit Steroiden gedopt hatte. »Obendrein hat er mit Scotts Freundin geschlafen«, bemerkte sie kopfschüttelnd. »Wes Hamer ist ein zutiefst verabscheuenswürdiger Mensch.«
    »Da gebe ich dir Recht. Sie halten den Skandal mit Millicent unter der Decke. Nicht um Wes zu schützen, sondern um ihre Eltern zu schonen. Warum sollten sie die beiden noch unglücklicher machen?«
    »Er hätte es verdient, öffentlich bloßgestellt zu werden, aber ich kann das verstehen.«
    »Wie man hört, geht Wes in Sack und Asche, nicht nur wegen Scotts Unfall, sondern auch wegen der Ereignisse auf dem Berg.«
    »Er ist Dutch nur gefolgt.«
    »Das stimmt nicht ganz, Lilly. Wie Scott mir erzählt hat, hat Wes zugegeben, dass er Dutch auf meine Fährte gehetzt hat.«
    »Und warum?«
    »Eine Zeitlang hatte er Angst, dass sein Sohn Blue sein könnte.«
    »Scott?«
    »Ein Motiv hätte er gehabt. Glaubte Wes wenigstens. Darum schürte Wes Dutchs Eifersucht auf uns zwei und redete ihm zu das zu tun, was er ohnehin tun wollte - mich dafür zu bestrafen, dass ich bei dir war. Dutch zu überreden, war für Wes ein Leichtes, nur führte es letztendlich dazu, dass sein bester Freund sterben musste. Die Schuld dafür wird er bis an sein Lebensende tragen.«
    »Warum bleibt sie bei ihm?«
    »Mrs Hamer? Scott sagt, sie hätte ihn um ein Haar verlassen, als sie von den Steroiden erfuhr. Wes bettelte sie an zu bleiben. Er hat gelobt, sich zu ändern. Eine neue Seite aufzuschlagen. Um zu beweisen, dass er zu allem bereit ist, hat er seinen Job als Trainer aufgegeben. Jetzt verkauft er Sportwaren.«
    »Für Millicents Onkel?«
    »So verändert hat er sich auch wieder nicht«, meinte Tierney trocken.
    »Was ist mit Scott? Was wird jetzt aus ihm?«
    »Er sitzt noch im Rollstuhl, aber sobald er wieder auf den Beinen ist, will er seine Ausbildung wie geplant fortsetzen.«
    »Aber nicht als Sportler.«
    »Nein. Er kann keinen Leistungssport mehr treiben, und nichts könnte ihn glücklicher machen.«
    »Er muss ein furchtbar unglücklicher junger Mann gewesen sein, sonst hätte er nicht zu so einer extremen Maßnahme gegriffen, um sich von Wes zu befreien.«
    »Er ist immer noch unglücklich.« Tierney zog nachdenklich die Stirn in Falten. »Scott hat mir vieles anvertraut. Er ist erleichtert, dass er keinen Sport mehr treiben muss. Aber irgendwas setzt ihm immer noch zu.
    Er sagt, es sei so persönlich, dass er es mir nicht erzählen kann, denn er sei noch nicht bereit, sich zu öffnen. Während wir im Krankenhaus waren, hatte ich reichlich Zeit, ihn zu beobachten. Er liest. Größtenteils Klassiker. Ansonsten sitzt er nur da und starrt manchmal stundenlang in die Luft. Er ist ein extrem trauriger junger Mann.«
    »Vielleicht wegen Millicent?«
    »Natürlich bedauert er, was ihr zugestoßen ist, aber nachdem sie und Wes…« Den Rest ließ er unausgesprochen. »Etwas anderes
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