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Eisige Schatten

Eisige Schatten

Titel: Eisige Schatten
Autoren: Kay Hooper
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fünfunddreißig, mittelgroß und entsprechend gebaut – möglicherweise. Was das mögliche Opfer auf, oh, ein Viertel der hiesigen weiblichen Bevölkerung einschränkt, plus/minus ein paar Hundert. Und unsere hilfreiche Übersinnliche weiß sogar noch weniger über den aufstrebenden Mörder – außer, dass er männlich ist. Wenn man dich und mich ausschließt, und jeden Mann über sechzig, einfach aus logischen Gründen, bleiben mir noch – was? – ein paar Hundert denkbare Verdächtige innerhalb der Stadtgrenzen? Was zum Teufel soll ich damit anfangen, Ben?«
    »Ich weiß es nicht. Aber es muss etwas geben, das wir tun können.«
    »Was denn? Eine Stadt in Panik zu versetzen durch die Ankündigung, dass eine unserer Damen verfolgt wird und nichts davon weiß?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    Matt seufzte. »Mein Gefühl sagt mir, jemand sollte Cassie Neill überwachen, und das rund um die Uhr. Vielleicht gibt es einen guten Grund dafür, warum sie sich so sicher ist, dass ein Mord geschehen wird.«
    Ben starrte ihn ungläubig an. »Das kann doch nicht dein Ernst sein. Wenn sie auch nur fünfundvierzig Kilo wiegt, wäre ich überrascht.«
    »Was, Mörder brauchen Muskeln? Das glaubst du doch selbst nicht, Ben.«
    »Ich meine nur, sie ist zu … zerbrechlich, um das in sich zu haben.«
    Der Sheriff hob die Augenbraue. »Zerbrechlich?«
    »Hör auf mit dem Quatsch.« Ben spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss, und war sich dieser ungewohnten Gutgläubigkeit ebenso bewusst wie sein Freund, aber nicht bereit, sich im Moment näher damit zu befassen.
    Matt verbarg ein Grinsen. »Schon gut, schon gut. Ich hab dich dieses Wort nur noch nie benutzen hören.«
    »Lass meine Worte aus dem Spiel. Was sollen wir wegen der Sache unternehmen, Matt?«
    »Wir werden warten. Was anderes können wir nicht tun. Wenn deine zerbrechliche Übersinnliche mit was Verwertbarem kommt, prima. Wenn nicht – tja, dann werden wir Däumchen drehen und abwarten, ob eine Leiche auftaucht.«

2
18. Februar 1999
    »Er hat’s getan.«
    Ben richtete sich auf dem Ellbogen auf und knipste die Nachttischlampe an. Die Uhr verriet ihm, dass es halb sechs war. Morgens.
    Guter Gott, es war noch dunkel.
    Er klemmte das Telefon zwischen Ohr und Schulter. »Wer hat was getan? Und wissen Sie, wie spät es ist?«
    »Er hat sie ermordet«, sagte Cassie Neill leise. Scharf.
    Ben wurde vollends wach.
    Er schob die Decke weg. »Sind Sie sich sicher?«
    »Ja.« Sie atmete ein. »Es ist schon vor Stunden passiert. Niemand hätte etwas tun können, daher – daher habe ich mit dem Anruf bei Ihnen gewartet. So lange ich konnte.«
    Ben überlegte, wie es wohl war, während der langen, dunklen Stunden der Nacht wach zu sein und allein – und im Bewusstsein des Entsetzlichen. Der professionelle Teil von ihm schob den Gedanken beiseite und sagte: »Sie hätten mich gleich anrufen sollen. Beweise …«
    »Werden sich durch das Vergehen einiger Stunden nicht ändern. Nicht bei dem wenigen, das er zurückgelassen hat.« Cassie klang unendlich erschöpft. »Aber Sie haben recht, ich hätte Sie sofort anrufen sollen. Entschuldigung.«
    Ben atmete tief durch. »Wissen Sie, wo?«
    »Ja, ich glaube schon. Es gibt eine alte, nicht mehr benutzte Scheune am Nordende der Stadt, ungefähr fünf Meilen außerhalb.«
    »Die kenne ich. Da war mal ein Viehhof.«
    »Sie ist … er hat sie in dem Wald hinter der Scheune gelassen. Er hat sie nicht dort umgebracht, aber da hat er sie gelassen. Ich glaube … ich glaube, sie wird leicht zu finden sein. Er hat die Leiche nicht vergraben oder sie auf irgendeine Weise zu verstecken versucht. Im Gegenteil, er … hat sie in eine Art Positur gesetzt.«
    »Positur?«
    »Hat sie mit dem Rücken an einen Baum gelehnt. Er hat sich sehr bemüht, das Aussehen richtig hinzukriegen. Das muss etwas bedeuten.« Cassies Stimme verebbte mit den letzten Worten, und sie seufzte. »Ich weiß nicht, was. Tut mir leid. Ich bin müde.«
    Ben zögerte und sagte dann: »Ich werde es mir ansehen.«
    »Bevor Sie den Sheriff anrufen?« Ihre Stimme hatte einen sarkastischen Unterton.
    Ben mochte nicht zugeben, dass er nicht noch mal wie ein leichtgläubiger Trottel dastehen wollte, falls sich das Ganze als falscher Alarm erwies. Daher sagte er nur: »Wahrscheinlich werde ich mich später wieder bei Ihnen melden.«
    »Ich werde hier sein.« Cassie legte leise auf.
     
    Die Morgenröte erhellte gerade erst den Himmel, als Ben seinen Jeep beim alten Pittman-Viehhof
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