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Eisige Schatten

Eisige Schatten

Titel: Eisige Schatten
Autoren: Kay Hooper
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Rücksitz. Trägt sie ins Bootshaus. Sie ist so klein. Sie wiegt fast nichts. Ohhhh …«
    »Cassie …«
    »Sie hat so viel Angst …«
    »Cassie, hör auf mich. Du kannst ihr nur helfen, wenn du darauf achtest, was er tut. Wohin er geht.« Er schaute zu seinem Partner. »Wo zum Teufel sind sie?«
    »Fast da. Fünf Minuten.«
    »Verdammt, sie hat keine fünf Minuten mehr!«
    »Sie beeilen sich, sosehr sie nur können, Bob.«
    Cassie atmete schnell. »Irgendwas stimmt nicht.«
    Logan starrte sie an. »Was?«
    »Ich weiß es nicht. Seine Gefühle sind diesmal … anders. Verschlagen, irgendwie, und fast … amüsiert. Er will der Polizei was Neues bieten. Er … oh. Oh Gott. Er hat ein Messer. Er will sie nur aufschlitzen …« Ihre Stimme war durchwoben von Schmerz und Entsetzen. »Er will … er will … schmecken …«
    »Cassie, hör auf mich. Zieh dich zurück. Zieh dich sofort zurück.«
    Logans Partner kam auf ihn zu. »Bob, wenn sie bei ihm bleibt, kann sie uns vielleicht helfen.«
    Logan schüttelte den Kopf, ohne den Blick von Cassie zu wenden. »Wenn sie bei ihm bleibt und er das Mädchen umbringt, könnte es Cassie zu tief hineinziehen in seine Raserei. Wir würden sie beide verlieren. Cassie? Cassie, komm raus. Jetzt. Hörst du?« Er streckte die Hand aus und nahm ihr die Seidenpapierrose aus den Fingern.
    Cassie holte schaudernd Luft und öffnete dann langsam die Augen. Sie waren von einem so blassen Grau, dass sie wie schwache Schatten auf Eis wirkten, auf frappierende Weise von tiefschwarzen Wimpern umrahmt. Dunkle Flecken der Erschöpfung lagen unter diesen Augen, und ihre Stimme zitterte vor Überanstrengung. »Bob? Warum hast du …«
    Logan goss heißen Kaffee aus einer Thermoskanne in eine Tasse und reichte sie Cassie. »Trink das.«
    »Aber …«
    »Du hast uns so gut geholfen, wie du konntest, Cassie. Den Rest müssen meine Leute erledigen.«
    Sie trank von dem heißen Kaffee, die Augen auf die Rose gewandt, die er noch in der Hand hielt. »Sag ihnen, sie sollen sich beeilen«, flüsterte sie.
    Aber es dauerte fast noch zehn Minuten, lange Minuten, bevor der Bericht eintraf und Paul finstere Blicke auf Cassie warf.
    »Das Bootshaus war leer. Sie haben die Gabelung in der Einfahrt übersehen. Der eine Weg führte zum Bootshaus und der andere zu einer weniger als fünfzig Meter entfernten Bucht, an der ein Kabinenkreuzer vertäut lag. Der Kerl war weg, als wir das Boot endlich fanden. Das kleine Mädchen war noch warm.«
    Logan fing rasch die Tasse auf, die Cassies Fingern entglitt, und sagte: »Halt die Klappe, Paul. Sie hat ihr Bestes getan …«
    »Ihr Bestes? Sie hat’s total vermasselt, Bob! Auf dem Bootshaus war keine Wetterfahne – da war eine Fahne am Mast des Bootes. Die hat sie im Wind flattern sehen. Und das Knarren kam vom Boot im Wasser. Das konnte sie nicht unterscheiden?«
    »Es war dunkel«, flüsterte Cassie. Tränen sammelten sich in ihren Augen, tropften aber nicht herab. Ihre zitternden Hände verknoteten sich im Schoß, und sie atmete, als kämpfte sie gegen ein erdrückendes Gewicht auf ihrer Lunge an.
    »Fünf Minuten«, sagte Paul. »Wir haben fünf Minuten damit verschwendet, in der falschen Richtung zu suchen, und deswegen ist das kleine Mädchen tot. Was soll ich seinen Eltern sagen? Dass unsere berühmte Paragnostin es vermasselt hat?«
    »Paul, halt deine verdammte Klappe!« Logan schaute zu Cassie. »Es war nicht deine Schuld, Cassie.« Seine Stimme klang überzeugend. Aber seine Augen sagten etwas anderes.
    Sie senkte den Blick und starrte auf die Seidenrose, die er in der Hand hielt, die zarte Vollkommenheit durch die raue Kraft seiner Polizistenhand unterstrichen.
    So viel Schönheit, erschaffen von einem Ungeheuer.
    Übelkeiterregende Angst ringelte sich in ihrer Magengrube und kroch auf dem Bauch durch ihre Gedanken, und sie merkte kaum, dass sie laut sprach, als sie heiser sagte: »Ich kann nicht mehr. Ich kann das nicht mehr machen. Ich kann es nicht.«
    »Cassie …«
    »Ich kann nicht. Ich kann nicht. Ich kann nicht.« Es war wie ein Mantra, um das Unerträgliche abzuwehren, und sie flüsterte es immer wieder, als sie die Augen schloss und den verhöhnenden Anblick der Seidenblume ausblendete, der von nun an ihre Albträume bevölkern würde.

1
Ryan’s Bluff, North Carolina
16. Februar 1999
    Als Stadt hatte sie nicht viel zu bieten. Sie war etwa so breit wie lang, mit mehr freier Fläche als Häusern. Es gab ein paar verstreute Kirchen und Autohändler
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