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Eisige Naehe

Eisige Naehe

Titel: Eisige Naehe
Autoren: Andreas Franz
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was sie wirklich von ihm wollte.
    Sie berichtete von ihrem Mann, seinen permanenten Seitensprüngen mit jungen Frauen, manchmal sogar Minderjährigen, seiner aktuellen Affäre mit einer Fünfzehnjährigen und dass sie es mit diesem pädophilen Hurensohn nicht länger aushalte. Vor allem hatte sie Angst, dass er sich an den gemeinsamen zehn und zwölf Jahre alten Töchtern vergehen könnte.
    Schließlich rückte sie mit der vollen Wahrheit heraus, die Worte kamen kühl und emotionslos über ihre Lippen, sie legte ein Foto ihres Mannes auf den Tisch und sagte, sie suche jemanden, der sie von ihm befreie. Und zwar für immer. Ob er, Hans Schmidt, dazu bereit sei, es solle nicht zu seinem Schaden sein. Dabei zeigte sich außer einem Aufblitzen in den Augen keinerlei Regung, während sie im Gegenzug jede noch so winzige Reaktion von Schmidt registrierte und analysierte.
    Er tat verwirrt und erschrocken (obwohl das nicht ganz richtig ist, denn anfangs, ganz am Anfang, direkt nachdem sie ihr Anliegen vorgebracht hatte, war er tatsächlich verwirrt und erschrocken gewesen, aber nur für ein paar Sekunden) und sagte, er habe so etwas noch nie gemacht, aber sie antwortete gelassen und beinahe klischeehaft, es gäbe für alles ein erstes Mal. Die ersten Schritte, das erste Hinfallen, der erste Schultag, die erste große Liebe ... Sie könne sich vorstellen, es sei wie der erste Sex, man hat Angst und verspürt gleichzeitig dieses unbeschreibliche Kribbeln, das durch den ganzen Körper zieht, man will es und ziert sich doch, aber schließlich tut man es, weil die Lust auf die Erforschung des Unbekannten übermächtig wird. So oder ähnlich müsse es wohl mit dem ersten Mord sein. Sie erklärte, und es klang aufrichtig, wie oft sie den Mord an ihrem Mann durchgespielt hatte, wie sie ihren untreuen Gatten erschoss, wie er langsam zu Boden sank und seine Augen sie flehend und bettelnd ansahen und sie breitbeinig über ihm stand und ihn kalt anlächelte, während allmählich der letzte Hauch Leben aus seinem Körper wich.
    »Ich hasse ihn abgrundtief für das, was er mir und den Kindern angetan hat. Ich könnte jetzt noch viel mehr über ihn sagen, aber das würde zu lange dauern und tut auch nichts zur Sache. Vielleicht erzähle ich dir eines Tages die ganze Geschichte.«
    Auf Schmidts Frage, warum sie es denn nicht selbst in die Hand nähme, antwortete sie mit einem unvergleichlichen Lächeln (etwas kühl und doch irgendwie entrückt), sie würde es ja liebend gerne, aber der Verdacht würde natürlich sofort auf sie fallen. Sie brauche für diese Aufgabe jemanden, den niemand in ihrem Umfeld kenne, der kommen und wieder gehen würde. Lautlos, spurlos, wie ein Phantom. Sie habe sofort gespürt, schon nach der nur Sekunden dauernden Begrüßung im Cafe, er sei der richtige Mann dafür, denn wenn sie eines sei, dann eine hervorragende Menschenkennerin, die vom ersten Eindruck noch nie getäuscht worden war. Eine Ausnahme allerdings hatte es gegeben, die Begegnung mit ihrem Mann, einem Schauspieler allererster Güte. Er fühlte sich geschmeichelt, und er sagte nicht nein, auch wenn er sich fragte, wie er es anstellen sollte, einen Menschen zu töten, den er nur auf einem Foto gesehen hatte und von dem er nichts wusste als das, was seine Frau ihm erzählt hatte - ganz abgesehen davon, dass er keine Gewähr dafür hatte, ob ihre Geschichte überhaupt der Wahrheit entsprach. Er fragte auch nicht danach, denn es war ihm gleich. Seltsamerweise empfand er keine Angst bei dem Gedanken, einen Menschen zu töten, was vielleicht daran lag, dass er noch nie in seinem Leben wirklich Angst vor irgendetwas gehabt hatte, denn er hatte schon früh lernen müssen, auf eigenen Beinen zu stehen und sich durchzusetzen.
    Hatte er Skrupel empfunden? Vielleicht. Ein schlechtes Gewissen? Möglicherweise. Letztlich wusste er nicht mehr, was damals in ihm vorgegangen war, weil alles fast surreal gewirkt hatte. Aber - und das war das Entscheidende - sie hatte ihm hunderttausend Mark geboten, wenn er bereit wäre, ihren Mann zu beseitigen oder, wie sie es ausdrückte, zu liquidieren und somit aus ihrem Leben ein für alle Mal zu entfernen. Und weitere hunderttausend, sobald der Auftrag erledigt war. Vorausgesetzt, niemand könne die Spur zu ihm und ihr zurückverfolgen. Er hatte nicht lange überlegt, ihr Angebot war ein Vermögen für jemanden, der sich bis dahin mit wenig lukrativen Gelegenheitsjobs neben seinem Studium über Wasser gehalten hatte. Sie
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