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Eisige Naehe

Eisige Naehe

Titel: Eisige Naehe
Autoren: Andreas Franz
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schmale Lippen, dann wieder einen geradezu femininen Mund, manchmal verkleidete er sich als Frau. Er konnte sogar Hände und Hals älter oder jünger aussehen lassen, er war ein Verwandlungskünstler par excellence. Zu jedem Aussehen besaß er einen eigenen Pass, einen Ausweis und einen Führerschein, insgesamt waren es einundzwanzig Pässe, einundzwanzig Führerscheine, einundzwanzig Ausweise, sogar drei Diplomatenpässe. Er war einer der meistgesuchten und doch freiesten Menschen auf diesem Planeten.
    Sarah Schumann hatte ihn aus Dankbarkeit und Anerkennung in Kreise eingeführt, in denen es vor allem darum ging, unliebsame Zeitgenossen liquidieren und unter Umständen auch spurlos verschwinden zu lassen, was eigentlich die Aufgabe eines Cleaners gewesen wäre, aber gegen angemessenes Geld übernahm er auch die Aufgabe des Beseitigens eines Opfers und die Reinigung des Tatorts. Letzteres kostete zwar noch einmal so viel wie der eigentliche Mord, aber wer Hans Schmidt anheuerte, dem kam es auf ein paar hunderttausend Dollar oder Euro nicht an. Hans Schmidt und Sarah Schumann teilten ein Geheimnis und konnten auf die Verschwiegenheit des anderen zählen: "Würde sie ihn ans Messer liefern, würde dies auch ihr das Genick brechen, dazu wusste er zu viel über sie. Natürlich wussten die Menschen ihres Umfelds so gut wie nichts über Hans Schmidt, weder wie alt er war noch wo er herkam, sie wussten nur, er war der Mann für Notfälle, dem sie bedingungslos vertrauen konnten. Sarah Schumann war wesentlich daran beteiligt, dass er zu einem der gefragtesten Männer für knifflige Fälle wurde. Bis zum heutigen Tag verband ihn mit Sarah eine enge Freundschaft, auch wenn sie sich nur in unregelmäßigen Abständen sahen und darüber hinaus über Internet und Telefon in Verbindung blieben. Eine besondere Frau, die seinem Leben eine besondere Note verliehen hatte. Nebenbei beendete er sein Studium, das sich nun problemlos finanzieren ließ, denn jeder Auftrag brachte ihm eine sechsstellige Summe ein (anfangs in Dollar, inzwischen kostete die Beseitigung eines Unternehmers, Bankiers oder Aufsichtsratsvorsitzenden ab dreihunderttausend Euro aufwärts, die einer Person des öffentlichen Lebens abhängig von ihrer Bedeutung zwischen fünfhunderttausend und einer Million, für den Mord an Julianne Cummings hatte er umgerechnet sogar anderthalb Millionen Euro kassiert), mittlerweile beherrschte er neun Sprachen und war ein Kunstliebhaber und -kenner, in dem Bereich der Musik ebenso wie in Malerei und Literatur. Tief in seinem Innern war er ein Feingeist, den schönen Dingen zugetan, sein ganzes Leben war von der Kunst geprägt - wozu in seinen Augen auch die hohe Kunst des Tötens zählte. Ein Mord sah im Übrigen auch nicht immer wie ein Mord aus, vieles wurde von der Polizei und den Rechtsmedizinern als Selbstmord oder Unfall deklariert, nur bei wenigen Opfern ließ er es bewusst wie eine Hinrichtung aussehen.
     
    Aber in erster Linie war er Geschäftsmann, und wichtige Geschäfte waren es unter anderem, die ihn diesmal nach Kiel geführt hatten. Geschäfte, die auch mit dem Tod zu tun hatten. Geschäfte, die zu seinen Bedingungen abgewickelt wurden und von denen die Partner noch nichts wussten. Geschäfte, die zeitlich fest terminiert waren. Die Partner hatten nicht den Hauch einer Ahnung, wie wertvoll - ab jetzt gerechnet - jeder Tag für sie sein würde. Seit Anfang der neunziger Jahre bewegte er sich in der High Society, in der natürlich niemand auch nur im Entferntesten ahnte, mit welch gefährlichem Mann sie es in Wirklichkeit zu tun hatten. Sie hatten ihn tatsächlich auch kaum zu fürchten, denn Hans Schmidt arbeitete nur im Auftrag und nicht, weil er jemanden persönlich nicht mochte oder eine Rechnung zu begleichen hatte. Wie jeder andere auch kam er mit dem einen besser, mit dem anderen schlechter zurecht, aber es hätte nie einen persönlichen Grund gegeben, einen Mann oder eine Frau zu töten, nur weil die Person ihm nicht gefiel, weil die Chemie nicht stimmte oder die Interessen unterschiedlich geartet waren. Er hätte auch niemals jemanden aus niederen Beweggründen wie Neid, Habsucht oder Eifersucht getötet, nicht einmal, wenn derjenige sich an Maria herangemacht hätte. Privates und Berufliches trennte er strikt. Nur zweimal war es vorgekommen, dass ein Auftrag zeitlich mit einem geschäftlichen Termin zusammenfiel. Dann hatte er zwei oder drei Tage verstreichen lassen, bevor er die Zielpersonen tötete. Eines
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