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Eisfieber - Roman

Titel: Eisfieber - Roman
Autoren: Ken Follett
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an – und stieß einen Schrei des Entsetzens aus.
    Die anderen sprachen alle gleichzeitig und wollten wissen, was passiert war.
    »Alles hierher, schnell!«, sagte Toni. »Ins Gartenhäuschen. Ruth zuerst.«
    Michael Ross lag mit dem Gesicht nach oben auf dem Boden. Er blutete aus allen Körperöffnungen: aus Augen, Nase, Mund und Ohren. Das Blut bildete kleine Lachen auf den Holzdielen. Toni benötigte keine Ärztin, um zu erkennen, dass Michael an einer massiven multiplen Blutung litt, einem klassischen Symptom von Madoba - 2 und ähnlichen Infektionen. Er war höchstgradig ansteckend, sein Körper eine Zeitbombe voller tödlicher Viren. Aber er lebte. Sein Brustkorb hob und senkte sich, und aus seinem Mund drang ein blubberndes Geräusch. In einer klebrigen Pfütze aus frischem Blut kniend, beugte sich Toni über ihn. »Michael!«, schrie sie, damit er sie durch ihren Plastikhelm hindurch verstehen konnte. »Ich bin’s, Toni Gallo aus dem Labor.«
    In Michaels blutunterlaufenen Augen blitzte es auf; er hatte sie offenbar erkannt. Er öffnete den Mund und stammelte irgendetwas.
    »Was?«, wollte Toni wissen und beugte sich noch näher zu ihm hin.
    »Unheilbar«, sagte Michael, bevor er sich übergab. Aus seinem Mund spritzte eine schwarze Flüssigkeit und klatschte gegen Tonis Visier. Sie zuckte zurück und stieß einen Schrei aus, obwohl sie wusste, dass ihr Anzug sie schützte.
    Dann wurde sie beiseite geschoben, und Dr. Ruth Solomons beugte sich über den Kranken.
    »Der Puls ist sehr schwach«, sagte die Ärztin über den Sprechfunk. Sie öffnete Michaels Mund und fischte mit dem behandschuhten Finger Blut und Erbrochenes aus seinem Hals. »Ich brauche ein Laryngoskop!«, rief sie. »Schnell!« Sekunden später stürzte ein Sanitäter herbei und brachte ihr das gewünschte Instrument. Ruth intubierte Michael und räumte seinen Rachen aus, sodass er wieder besser atmen konnte. »Holt jetzt so schnell wie möglich die Tragbahre aus der Quarantäne-Station!« Sie öffnete ihren Arztkoffer, entnahm ihm eine Spritze, die, wie Toni vermutete, bereits mit Morphium und einem Blutgerinnungsmittel gefüllt war, stach die Injektionsnadel in Michaels Hals und drückte den Kolben herunter. Als sie die Nadel wieder herauszog, blutete die winzige Wunde stark.
    Eine Welle des Mitleids und der Trauer überkam Toni. Sie sah Michael in ihrer Erinnerung wieder durch den Kreml schlendern, sah ihn in seinem Haus beim Teetrinken, hörte wieder, wie er voller Begeisterung über die Radierungen sprach. Der Anblick seines so grauenvoll mitgenommenen Körpers machte alles noch tragischer, noch schmerzhafter.
    »Okay«, sagte Ruth. »Bringen wir ihn hier raus.«
    Zwei Sanitäter hoben Michael auf und schleppten ihn zu einer Bahre, über die sich ein durchsichtiges Plastikzelt wölbte. Sie ließen den Patienten durch eine Schleuse ins Innere des Zelts gleiten und verschlossen die Öffnung sorgfältig. Dann rollten sie die Bahre durch Michaels Garten zurück. Bevor sie jedoch den Krankenwagen betreten durften, mussten sie sich und die Bahre dekontaminieren. Ein Mann aus Tonis Team hatte bereits eine flache Plastikwanne geholt, die aussah wie ein Kinderplanschbecken. Dr. Solomons und die Sanitäter stellten sich der Reihe nach hinein und ließen sich mit einem Desinfektionsmittel absprühen, dass alle Viren zerstörte, indem es ihr Eiweiß oxidierte.
    Obwohl sie wusste, dass Michaels Überlebenschancen mit jeder Sekunde Verzögerung geringer wurden, sah Toni der Prozedur wortlos zu. Ihr war nur allzu klar, dass die Dekontaminierungsvorschriften peinlich genau beachtet werden mussten, um weitere Todesfälle zu verhindern. Es traf sie bis ins Mark, dass ein tödliches Virus aus ihrem Labor entwichen war; so etwas war in der Geschichte der Firma Oxenford Medical noch nie geschehen. Und dass sie recht daran getan hatte, um die fehlenden Proben einen solchen Wirbel zu machen, während die Kollegen die Angelegenheit nach Kräften heruntergespielt hatten, war auch nur ein schwacher Trost. Ihre Aufgabe bestand darin, zu verhindern, dass es zu solchen Pannen kam – also hatte sie versagt. Musste deshalb jetzt der arme Michael sterben? Und andere vielleicht auch noch?
    Die Sanitäter verfrachteten die Bahre in den Krankenwagen. Dr. Solomons schwang sich hinten in den Kasten, um bei ihrem Patienten zu bleiben. Die Türen wurden zugeworfen, und schon fuhr der Wagen an und verschwand mit aufheulendem Motor in der Nacht.
    »Halt mich auf dem
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