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Eisfieber - Roman

Titel: Eisfieber - Roman
Autoren: Ken Follett
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Müdigkeit kaum anzusehen. Ihr Vater war Spanier gewesen, doch sie hatte die blasse Haut und das rotblonde Haar ihrer Mutter geerbt. Sie war groß gewachsen und sportlich fit. Nicht schlecht für eine Achtunddreißigjährige, dachte sie.
    Endlich meldete sich Jenny Crawfords Stimme am Telefon. »Das muss doch mitten in der Nacht sein bei euch!«, sagte sie.
    »Wir haben einen Fehlbestand im BSL - 4 «, erklärte Toni.
    Jenny war ein wenig beschwipst. »Das kommt doch immer wieder mal vor«, sagte sie ohne erkennbare Beunruhigung. »Und bisher hat noch nie jemand ein großes Drama gemacht.«
    »Ja, weil es bisher nicht mein Job war«, erwiderte Toni gereizt. »Wann waren Sie das letzte Mal im BSL - 4 ?«
    »Am Dienstag, glaub ich. Aber das muss Ihnen doch eigentlich der Computer sagen, oder?«
    Doch, dachte, Toni, aber ich möchte wissen, ob Jennys Aussage mit den Computerdaten übereinstimmt … »Und wann waren Sie zum letzten Mal am Tresor?« Der so genannte Tresor war ein verschlossener Kühlschrank innerhalb des Labors.
    Jennys Tonfall verriet, dass ihr die Befragung allmählich auf die Nerven ging. »Das weiß ich nicht mehr genau, aber das wird doch alles aufgezeichnet.« Das Touchpad-Kombinationsschloss des Tresors aktivierte eine Videokamera, die so lange lief, wie die Tür geöffnet war.
    »Erinnern Sie sich daran, wann Sie das letzte Mal mit Madoba - 2 zu tun hatten?« Madoba - 2 war das Virus, mit dem die Wissenschaftler gegenwärtig arbeiteten.
    Jenny erschrak. »Au, verdammt – gehört die fehlende Probe etwa dazu?«
    »Nein. Trotzdem …«
    »Ich hab, glaube ich, niemals konkret mit einem echten Virus zu tun gehabt. Meistens arbeite ich im Labor für Gewebekulturen.«
    Das stimmte mit den Informationen überein, die Toni vorliegen hatte. »Ist Ihnen vielleicht aufgefallen, dass sich ein Kollege oder eine Kollegin in den letzten Wochen ungewöhnlich benommen oder dass sich sein oder ihr Verhalten plötzlich geändert hat?«
    »Das klingt ja wie ein Verhör«, protestierte Jenny.
    »Mag sein. Trotzdem …«
    »Nein, mir ist nichts dergleichen aufgefallen.«
    »Eine Frage noch: Haben Sie Fieber oder erhöhte Temperatur?«
    »Verdammt noch mal, soll das etwa heißen, ich könnte Madoba - 2 haben?«
    »Sind Sie erkältet?«
    »Nein!«
    »Dann ist alles in Ordnung. Sie haben das Land vor elf Tagen verlassen – wenn irgendwas nicht stimmen würde, hätten Sie inzwischen grippeartige Symptome. Ich danke Ihnen, Jenny. Vermutlich handelt es sich bloß um einen Irrtum im Protokollbuch. Trotzdem müssen wir der Sache nachgehen.«
    »Mir haben Sie jedenfalls die Nacht gründlich verdorben«, erwiderte Jenny und beendete das Gespräch.
    »Pech für dich«, sagte Toni in die tote Leitung, legte den Hörer auf und fügte hinzu: »Jenny Crawford scheidet aus. Dumme Kuh, aber ehrlich.«
    Howard McAlpine war der Leiter des Labors. Sein buschiger grauer Bart zog sich über die Wangenknochen hinauf, sodass die Haut um seine Augen herum wie eine rosa Maske wirkte. McAlpine war ein sorgfältiger Mann, aber kein Pedant. Toni arbeitete normalerweise recht gern mit ihm zusammen, doch diesmal war er alles andere als gut gelaunt. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Sie können doch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass das Material, für das Ihnen der Nachweis fehlt, von einer dazu berechtigten Person benutzt wurde, die lediglich vergessen hat, die Entnahme ins Protokollbuch einzutragen.« Seine Stimme klang gereizt, denn er hatte dieses Argument bereits zwei Mal vorgebracht.
    »Ich hoffe, Sie haben Recht«, erwiderte Toni unverbindlich, erhob sich und trat ans Fenster. Vom Personalbüro aus konnte man den Anbau sehen, in dem das BSL - 4 -Labor untergebracht war. Mit seinen verschnörkelten Schornsteinen und einem Uhrturm fügte er sich nahtlos ins Gesamtbild des Kremls ein, sodass es einem Fremden aus der Entfernung sicher nicht leicht gefallen wäre zu sagen, wo genau in dem ganzen Komplex sich das Hochsicherheitslabor befand. Aber die Fenster mit den hohen Bögen waren mit Milchglas versehen, die Eichentüren mit ihrem Schnitzwerk ließen sich nicht öffnen, und aus den monströsen Köpfen der Wasserspeier spähten einäugig Videokameras herab. Der Anbau war ein einstöckiger Betonkasten in viktorianischer Verkleidung. Die Labors nahmen das gesamte Erdgeschoss ein. Außer den Arbeitsplätzen für die Forscher und den Vorratsräumen gab es eine
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