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Eisfieber - Roman

Titel: Eisfieber - Roman
Autoren: Ken Follett
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er ein Polizist. Als Toni in Ungnade fiel, trennte er sich von ihr. Es tat noch immer weh.
    Zwei junge Polizisten verließen den Streifenwagen, ein Mann und eine Frau. Toni kannte hier in der Gegend die meisten Beamten ihrer Generation, und einige der Älteren konnten sich sogar noch an Tonis verstorbenen Vater erinnern, Sergeant Antonio Gallo – den alle natürlich den »Spanier-Tony« nannten. Die beiden, die jetzt vor Michaels Haus aufkreuzten, waren ihr allerdings unbekannt. Über den Sprechfunk sagte sie: »Jonathan, die Polizei ist jetzt da. Bitte, dekontaminieren Sie, und kümmern Sie sich um die beiden. Sagen Sie ihnen, wir haben festgestellt, dass ein Virus aus dem Labor entkommen ist. Sie werden dann Jim Kincaid anrufen. Wenn er hier ist, informiere ich ihn.«
    Superintendent James Kincaid war zuständig für » CBRN «, das heißt für chemische, biologische, radiologische und nukleare Unfälle. Er hatte Toni bei der Ausarbeitung ihres Notfallplans geholfen. Mit ihm wollte sie das weitere Vorgehen besprechen; es kam jetzt darauf an, mit aller gebotenen Sorgfalt, aber ohne Panikmache zu handeln.
    Wenn Kincaid eintraf, wollte sie ihm gleich ein paar Informationen über Michael Ross geben. Sie ging ins Haus. Michael hatte das zweite Schlafzimmer zu einem Büro umfunktioniert. Auf einem kleinen Tisch standen drei gerahmte Fotos seiner Mutter: als schlanker Teenager in einem engen Pullover, als glückliche Mutter mit einem Baby im Arm, das wie Michael aussah, und als Frau in den Sechzigern mit einer dicken schwarzweißen Katze auf dem Schoß.
    Toni setzte sich an den Schreibtisch, fuhr den Computer hoch und las Michaels E-Mails. Mit den unförmigen Gummihandschuhen die Tastatur zu bedienen war gar nicht so leicht. Er hatte bei Amazon ein Buch mit dem Titel Animal Ethics bestellt und sich über Studienangebote in Moralphilosophie informiert. Der Internet-Browser verriet ihr zudem, dass er in jüngster Zeit wiederholt die Homepages von Tierschutzverbänden angeklickt hatte. Es lag auf der Hand, dass ihm Zweifel an der moralischen Rechtfertigung seiner Tätigkeit gekommen waren. Bei Oxenford Medical war allerdings niemandem aufgefallen, dass er sich in einem seelischen Dilemma befand.
    Toni konnte ihn gut verstehen. Es gab ihr jedes Mal einen Stich ins Herz, wenn sie in einem Käfig einen Beagle oder einen Hamster sah, den Wissenschaftler bewusst mit einer Krankheit infiziert hatten. Doch dann musste sie immer wieder an den Tod ihres Vaters denken: Der Mittfünfziger war an einem Gehirntumor erkrankt und am Ende geistig verwirrt, würdelos und unter großen Schmerzen gestorben. Eines Tages könnten solche Leiden vielleicht geheilt werden – dank der Versuche, die an Affenhirnen durchgeführt wurden.
    In einem Pappkarton bewahrte Michael, sorgfältig beschriftet, seine wichtigsten Papiere auf: Rechnungen, Garantien, Kontoauszüge, Gebrauchsanweisungen. Unter »Mitgliedschaften« fand Toni eine Karte, die ihn als eingetragenes Mitglied einer Organisation namens Animals Are Free auswies: »Tiere sind frei.« Allmählich schälte sich ein klares Bild heraus.
    Die Arbeit beruhigte Toni ein wenig. Kriminalistische Arbeit war immer eine ihrer Stärken gewesen, und dass man sie dazu gezwungen hatte, den Polizeidienst zu quittieren, empfand sie nach wie vor als schweren Schlag. Aus der Tatsache, dass sie ihre alten Talente und Fähigkeiten noch nicht verlernt hatte, schöpfte sie allerdings eine gewisse Befriedigung.
    In einer Schublade fand sie Michaels Adressbuch und seinen Terminkalender. Der Letztere wies für die vergangenen beiden Wochen keinerlei Einträge auf. Während Toni das Adressbuch aufschlug, blitzte es draußen vor dem Fenster blau auf. Sie sah hinaus und erblickte einen grauen Volvo mit rotierendem Blaulicht auf dem Dach. Das musste Jim Kincaid sein.
    Sie verließ das Haus und ließ sich von einem ihrer Mitarbeiter dekontaminieren. Dann nahm sie ihren Helm ab, um den Superintendenten zu begrüßen. Doch der Mann im Volvo war nicht Jim. Im Mondlicht erkannte sie Superintendent Frank Hackett, ihren Ex-Freund.
    Schlagartig war es um ihre gute Stimmung geschehen. Obwohl die Trennung von ihm ausgegangen war, tat er stets, als wäre er derjenige gewesen, der am meisten darunter zu leiden gehabt hatte.
    Toni beschloss, ihm gegenüber ruhig, freundlich und professionell aufzutreten.
    Er stieg aus dem Wagen und kam auf sie zu. »Bitte beachte die Absperrung!«, rief sie ihm zu. »Ich komme gleich!« Im selben
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