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Eisfieber - Roman

Titel: Eisfieber - Roman
Autoren: Ken Follett
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Totschläger nie wieder richtig erholt. Er war auf einem Auge blind und hatte, was schlimmer war, sein altes Gehabe gänzlich verloren. Er war stiller geworden, nicht mehr der alte Filou, nicht mehr der alte Witzbold. Sein Lausbubengesicht zeigte er nur noch selten.
    »Schade, dass ihr Vater immer noch frei herumläuft«, sagte Toni. Harry Mac hatte als Komplize auf der Anklagebank gesessen, doch Kits Zeugenaussage genügte dem Gericht nicht für eine Verurteilung. Die Geschworenen befanden auf »nicht schuldig«, worauf Harry Mac seine kriminellen Geschäfte sofort wieder aufnahm.
    »Von dem gibt’s auch Neuigkeiten«, antwortete Olga. »Er hat Krebs. Fing in den Lungen an, doch inzwischen hat er überall Metastasen. Die Ärzte geben ihm noch drei Monate.«
    »Sieh an, sieh an«, sagte Toni. »Es gibt also doch noch so was wie Gerechtigkeit.«
     
    Miranda legte Neds Kleidung für den Abend heraus – schwarze Leinenhosen und ein kariertes Hemd. Er erwartete das nicht von ihr, doch wenn sie es unterließ, erschien er womöglich völlig geistesabwesend in Shorts und T-Shirt zum Abendessen. Es war nicht so, dass er sich nicht zu helfen wusste – nur waren ihm solche Dinge einfach egal, und Miranda hatte es inzwischen akzeptiert.
    Sie hatte eine ganze Menge akzeptiert, was ihn betraf. Sie wusste, dass Ned sich niemals übereilt auf einen Konflikt einlassen würde, nicht einmal dann, wenn es darum ging, sie, Miranda, zu beschützen. Aber sie wusste auch, dass er in einer echten Krise ein Fels in der Brandung war. Er hatte es nachhaltig bewiesen, als er sich, um Tom zu schützen, von dieser Daisy hatte grün und blau schlagen lassen.
    Miranda war bereits umgezogen und trug ein pinkfarbenes Baumwollkleid mit Faltenrock. Sie wirkte darin ein bisschen breit um die Hüften – aber, nun ja, sie war eben auch ein bisschen breit um die Hüften. Ned hatte ihr gesagt, dass sie ihm so gefiel, wie sie war.
    Sie ging ins Badezimmer. Ned saß in der Wanne und las eine Molière-Biografie auf Französisch. Miranda nahm ihm das Buch weg. »Der Butler ist der Mörder«, sagte sie.
    »Jetzt ist die ganze Spannung weg!« Er stand auf.
    Miranda reichte ihm ein Handtuch. »Ich schau mal nach den Kindern.« Ehe sie das Hotelzimmer verließ, nahm sie noch ein kleines Päckchen von ihrem Nachttisch und steckte es in ihre Handtasche.
    Die Hotelzimmer waren einzelne Hütten an einem Strand. Eine warme Brise umschmeichelte Mirandas nackte Arme, als sie zu der Hütte ging, die ihr Sohn Tom mit seinem Cousin Craig teilte.
    Craig schmierte sich gerade Gel in die Haare, während Tom seine Schuhe zuband. »Alles in Ordnung bei euch?«, fragte Miranda – eine überflüssige Frage, denn die beiden waren braun gebrannt und bester Laune nach einem Tag, den sie mit Windsurfen und Wasserskilaufen verbracht hatten.
    Tom war kein kleiner Junge mehr. Er war in den vergangenen sechs Monaten um fünf Zentimeter gewachsen und hatte aufgehört, mit allem und jedem, das ihn bewegte, zu seiner Mutter zu laufen. Miranda war traurig darüber. Zwölf Jahre lang war sie praktisch alles für ihn gewesen. Ein paar Jahre lang würde er noch von ihr abhängig sein, doch die Abnabelung hatte definitiv begonnen.
     
    Sie ging zur nächsten Hütte, die Sophie und Caroline miteinander teilten. Caroline war schon gegangen, und Sophie war allein. Sie stand in Unterwäsche vor dem Kleiderschrank und überlegte, was sie heute Abend anziehen sollte. Missbilligend nahm Miranda zur Kenntnis, dass Sophie einen aufreizenden schwarzen Halbschalen- BH und einen dazu passenden Tanga trug. »Weiß deine Mutter, was für Fummel du da anhast?«
    »Ich darf anziehen, was ich will, hat sie gesagt«, erwiderte Sophie mürrisch.
    Miranda setzte sich auf einen Stuhl. »Komm her, ich möchte mit dir reden.«
    Widerwillig setzte sich Sophie aufs Bett, schlug die Beine übereinander und wandte den Blick ab.
    »Es wäre mir wirklich lieber, wenn deine Mutter dir das sagen würde, doch da sie nicht hier ist, muss ich es eben tun.«
    »Was sagen würde?«
    »Ich halte euch für zu jung für Geschlechtsverkehr. Du bist grade mal fünfzehn, Craig erst sechzehn.«
    »Er wird bald siebzehn.«
    »Trotzdem, was ihr tut, ist einfach illegal.«
    »Nicht in diesem Land.«
    Miranda hatte vergessen, dass sie sich nicht im Vereinigten Königreich aufhielten. »Trotzdem. Ihr seid zu jung.«
    Sophie verzog ihr Gesicht zu einer angewiderten Grimasse und rollte mit den Augen. »O Gott!«
    Miranda ließ nicht locker.
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