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Eisfieber - Roman

Titel: Eisfieber - Roman
Autoren: Ken Follett
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Signal, beständig fürchtend, es könne ganz verstummen und die Frau könne den Beschatter im Anorak abschütteln. Doch am Piccadilly Circus kam sie wieder an die Oberfläche, und der Kommissar war ihr immer noch auf den Fersen. Als die Frau in eine Einbahnstraße abbog, verloren sie sie erneut aus den Augen, doch eine Minute später meldete sich der Kommissar auf Odettes Handy und berichtete, die Frau sei in ein Theater gegangen.
    »Da wird sie das Zeug versprühen«, sagte Toni.
    Die zivilen Polizeiwagen fuhren vor dem Theater vor. Odette und Toni gingen hinein, gefolgt von zwei Männern aus dem zweiten Wagen. Die Show, eine Gespenstergeschichte mit Musik, war vor allem bei amerikanischen Touristen beliebt. Das Mädchen mit dem wunderschönen Haar hatte sich in die Schlange der Besucher eingereiht, die ihre vorbestellten Karten abholten.
    Plötzlich nahm sie eine Parfümflasche aus ihrer Schultertasche und sprühte sich mit einer raschen Bewegung, die vollkommen natürlich wirkte, Kopf und Schultern ein. Kein Mensch in ihrer unmittelbaren Umgebung nahm davon Notiz. Wenn sich überhaupt jemand Gedanken darüber machte, dann nahm er sicher an, dass die junge Frau sich auf den Mann vorbereitete, mit dem sie sich verabredet hatte. Schönes Haar sollte auch schön duften. Dass das Spray seltsamerweise geruchlos war, schien niemandem aufzufallen.
    »Das war schon ganz gut«, sagte Odette. »Aber sie soll’s ruhig noch einmal tun.«
    Obwohl das Fläschchen nur Wasser enthielt, lief Toni ein kalter Schauer über den Rücken, als sie die Luft einsog. Ohne den Austausch der Flaschen wären jetzt lebende Madoba - 2 -Viren freigesetzt worden, und wer die einatmete, war so gut wie tot.
    Die Frau holte ihre Eintrittskarte ab und ging hinein. Odette sprach mit dem Kontrolleur und zeigte ihm ihren Polizeiausweis. Die Beschatter blieben der Frau auf den Fersen. Im Foyer ging sie zur Bar, wo sie sich erneut einsprühte. Dasselbe tat sie in der Damentoilette. Schließlich setzte sie sich auf ihren Platz im Parkett und besprühte sich noch einmal. Toni vermutete, dass sie beabsichtigte, auch in der Pause wieder zu sprühen und schließlich nach Ende der Vorstellung in den engen Passagen, durch die das Publikum zu den Ausgängen gelangte. Am Ende der Veranstaltung hätte nahezu jeder Zuschauer die feinen Tröpfchen aus der Flasche eingeatmet.
    Toni, die sich ganz hinten im Zuschauersaal aufhielt und von dort aus die Frau im Auge behielt, hörte die verschiedensten Dialekte in ihrer Umgebung. Eine Frau, die offenbar aus dem amerikanischen Süden stammte, erzählte, sie hätte den schönsten Kaschmirschal der Welt gekauft; irgendwer aus Boston erzählte, wo er seinen Wagen »gepaakt« hatte; eine New Yorkerin behauptete, sie habe fünf Dollar für ein einziges Tässchen Kaffee bezahlen müssen. Hätte die Parfümflasche, wie von den Terroristen geplant, tatsächlich Viren enthalten, so wären all diese Menschen inzwischen mit Madoba - 2 infiziert. Sie wären nach Hause geflogen, hätten ihre Familienmitglieder und Partner in die Arme geschlossen, ihre Nachbarn begrüßt und wären wieder zur Arbeit gegangen. Überall hätten sie von ihren tollen Ferien in Europa erzählt.
    Zehn oder zwölf Tage später wären sie krank geworden. »Ich hab mir in London einen lausigen Schnupfen geholt«, hätten sie gesagt und beim Niesen Verwandte, Freunde und Kollegen angesteckt. Die Symptome hätten sich verschlimmert, die Ärzte hätten Grippe diagnostiziert. Erst mit den ersten Todesfällen wäre der Verdacht aufgekommen, dass es sich um etwas sehr viel Schlimmeres als um eine Grippe handeln musste. Und erst, wenn sich die tödliche Infektion bereits mit ungeahnter Geschwindigkeit von Straße zu Straße und von Stadt zu Stadt verbreitete, hätte die Zunft der Ärzte allmählich begriffen, womit sie es hier zu tun hatte – doch dann wäre es längst zu spät gewesen …
    Nichts dergleichen würde passieren – doch Toni schauderte unwillkürlich, als sie daran dachte, wie knapp sie der Katastrophe entkommen waren.
    Ein gereizter Mann im Smoking kam auf die beiden Frauen zu. »Ich bin der Geschäftsführer«, sagte er. »Was geht hier vor?«
    »Wir werden gleich jemanden verhaften«, beschied ihn Odette. »Vielleicht warten Sie noch eine Minute, bevor Sie den Vorhang aufgehen lassen.«
    »Ich hoffe, es gibt kein unnötiges Aufsehen.«
    »Da sind wir völlig einer Meinung, das können Sie mir glauben.« Die Zuschauer saßen inzwischen alle
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