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Eisblut

Eisblut

Titel: Eisblut
Autoren: Marina Heib
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Lichter zu sehen. Ärgerlich verscheuchte sie ihre Gedanken an
Christian. Immerhin hatte sie sich zwei Monate in die Natur von Kanada
zurückgezogen, um ihn zu vergessen. Zeitweilig war es ihr sogar gelungen. Je
länger sie einsam und wie besessen über die Seen in British Columbia gepaddelt
war, je mehr ihre Muskeln von den ausgedehnten Touren schmerzten, desto weiter
schienen die traumatischen Erlebnisse des letzten Sommers in die Ferne zu
rücken und mit ihnen die frustrierende Beziehung. Als sie sich gestern von
ihrer Freundin Helga in Vancouver verabschiedete, fühlte sie sich leicht und
befreit. Kanadas Größe hatte ihr den inneren Frieden zurückgegeben, glaubte
sie. Was für ein Irrtum! Mit jedem Meter, den die Maschine dem Hamburger
Flughafen entgegensank, verspürte sie einen stärker werdenden Sog, sich
Christians Gesicht ins Gedächtnis zu rufen. Seine ungekämmten dunklen Locken,
die tiefen Furchen in seiner braun gebrannten Haut, diese Landkarte von
Schmerz, Wut und Enttäuschung, die grünen Augen, die so wild und auch so sanft
blicken konnten …
    Anna riss sich los und blickte zum Fenster hinaus. Die Maschine taumelte
durch ein paar Wolken, sank und sank, sie hatten die Wolken nun über sich, es
war bereits dunkel, Hamburgs Straßenbeleuchtung glitzerte verheißungsvoll,
lange Autoschlangen, die sich im Stop-and-go-Verkehr durch die Straßen wanden,
so viele Menschen unterwegs, Rushhour, Hektik, und irgendwo da unten,
mittendrin war auch Christian, bloß nicht daran denken, lieber an ein heißes
Bad, hatte sie eigentlich noch Holz für den Kamin? Es goss in Strömen, es
stürmte, und die Landung war alles andere als sanft.
    Nach schier endlosem Herumstehen am Gepäckband verließ
Anna die Sicherheitszone und drängte sich durch die Menge der Wartenden. Sie
nahm die begehrlichen Blicke der Männer, die ihr folgten, nicht wahr. Plötzlich
rief jemand ihren Namen. Anna reagierte nicht. Nur ihre Mutter wusste, dass sie
heute wiederkommen würde, aber ihre genaue Ankunftszeit hatte Anna bewusst
verschwiegen. Sie wollte nicht abgeholt werden, schon gar nicht von ihrer
Mutter. Doch dann wurde sie am Arm gepackt und festgehalten. Erschrocken drehte
sie sich um. Vor ihr stand ein unverschämt gutaussehender Mann Anfang dreißig,
in edlem Designeranzug und mit strahlendem Lächeln.
    Â»Pete! Was machst du hier?«, rief sie.
    Â»Ich bin dein Chauffeur und Gepäckträger. Wenn ich bitten darf?«
Pete nahm ihr den Gepäckwagen aus der Hand und wies mit einer kleinen
Verbeugung in Richtung Parkhaus.
    Anna schüttelte unwillig den Kopf: »Woher weißt du …?«
    Pete eilte los, und Anna hatte Mühe mit ihm Schritt zu halten. Sie
war müde und ausgelaugt von der langen Reise.
    Â»Ich habe deine Mutter angerufen. Sie wusste zwar nicht, mit welcher
Maschine du kommst, aber wozu bin ich Polizist?«
    Â»Und was ist der Grund für diese Eskorte?«, fragte Anna
misstrauisch. Sie fuhren im Aufzug auf Parkdeck sieben.
    Â»Freundschaft?« Pete lächelte.
    Anna sah Pete nur stumm an.
    Â»Erklär ich dir im Auto«, fügte er hinzu.
    Während Pete das Gepäck im Kofferraum seines Dienstwagens verstaute,
ließ sich Anna mit bösen Vorahnungen auf dem Beifahrersitz nieder. Sie hatte
Pete letzten Sommer kennengelernt und spontan eine Affäre mit ihm begonnen.
Dann war alles aus dem Ruder gelaufen. Ihre Verbindung zu Pete, der damals als
Profiler eines bundesweit ermittelnden Sonderkommandos Jagd auf einen
Kindermörder machte, und die Tatsache, dass sie Psychologin war, führte auf
verschlungenen Pfaden zu ihrer Verstrickung in den Fall. Dadurch hatte sie auch
Hauptkommissar Christian Beyer kennengelernt, sich in ihn verliebt und
versucht, nach Abschluss des Falls eine Beziehung mit ihm aufzubauen. Die
allerdings aufgrund von äußeren Umständen und inneren Verletzungen grandios
gescheitert war.
    Wenn Pete nun hier auftauchte, um sie an einem Sonntagabend vom
Flughafen abzuholen, war das kein gutes Zeichen. Sie hatten sich seit Monaten
nicht gesehen. Sicher, ihre damalige Affäre war nach einigen Wirrungen in eine
Art lockere Freundschaft übergegangen, aber allein schon aus Taktgefühl
Christian gegenüber hatten sie sich trotz ihrer Verbundenheit eher distanziert
verhalten. Und als die Beziehung zwischen ihr und Christian vollends in die
Brüche gegangen war, gab es auch
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