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Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Titel: Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke
Autoren: Michaela Möller
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kurz inne, weil jener unverschämte Typ vor einer Tür mit der Aufschrift »Chefredaktion« stehen bleibt.
    Hätte ich mir auch gleich denken können, dass der größte Idiot der Kopf des Magazins ist.
    »Ah, da ist ja die neue Praktikantin«, höre ich in meinem Nacken.
    Praktikantin? Entweder sieht mein Hinterkopf aus wie der einer Siebzehnjährigen, was mich für einen kleinen Moment durchaus glücklich macht, oder das MeM a versteht unter »neue Herausforderung in einem spannenden Team« unendgeltlich Kaffeekochen für eine Horde Schwarztrinker.
    »Ich bin Jürgen Bender, Chefredakteur des MeMa .«
    Als ich mich überrascht umdrehe, fege ich Jürgen Bender, der trotz seiner Größe eher schlaksig wirkt, fast mit meiner Handtasche über einen nahe stehenden Schreibtisch. Zum Glück verfehle ich ihn knapp. Ich muss mein Kinn recken, um Herrn Bender in die hellblauen Augen sehen zu können, die mich freundlich und neugierig zugleich betrachten. Seine Hand ist weich, ihr Druck fest.
    »Willkommen beim MeMa .«
    »Oh nein, ich bin Frau Lenartz«, bringe ich hervor, als würde das alles erklären. Ich werde tatsächlich für die neue Praktikantin gehalten. Frust? Freude? Hm. Keine Zeit für beides.
    »Entschuldigen Sie vielmals, wie konnte ich nur, ich habe Sie mir ganz anders vorgestellt. Ich meine … ich bin … ich freue mich. Wissen Sie, auf Ihrem Bewerbungsfoto wirken Sie so … ganz anders. Aber durchaus kompetent. Kann man das sagen?«
    »Wenn Sie es sagen«, antworte ich lächelnd, ohne selbst zu wissen, warum. Ist es die Freude darüber, dass Herr Bender sich an mich erinnert, oder schlicht Herr Bender?
    »Ich wusste gar nicht, dass es Ihnen möglich ist, unseren doch wirklich sehr kurzfristig von mir vorgeschlagenen Termin wahrzunehmen.«
    »Oh, ich …« – habe vergessen, den Termin zu bestätigen, verdammt, verdammt, verdammt. »Ich habe bis zum Schluss selbst nicht gewusst, dass es mir tatsächlich möglich sein würde …«
    »Wie wunderbar. Warten Sie schon lange?«
    Mein Blick wandert zu dem Typen, der mich angerempelt hatte, um abzuschätzen, ob die Äußerung über eine Fehleinschätzung der verstrichenen Minuten in seiner Hörweite liegen würde.
    »Oh, Sie haben Moritz Winsberg, unseren Fotografen, schon kennen gelernt?« Herr Bender war meinem Blick gefolgt. Ich verdrehe die Augen und nuschele vor mich hin: »Hoffentlich nicht.«
    »Bitte?«, fragt Herr Bender.
    »Es freut mich …«, setze ich an und verzichte darauf, Moritz Winsberg ein Lächeln zu schenken. Er hievt sich seine Fototasche über die Schulter und entschwindet Richtung Flur, ohne mir oder Herrn Bender einen weiteren Blick zu schenken. Stattdessen raunt er knapp: »Hab ’n Shooting.«
    Etwas irritiert haftet mein Blick an der Tür, die langsam hinter Herrn Winsbergs Rücken ins Schloss fällt. Obwohl ich meine Aufmerksamkeit sogleich wieder dem Chefredakteur schenke, bleibt es für ihn nicht unbemerkt. Was für ein sensibler Mann!
    Moment.
    Herr Bender ist doch ein Mann?
    Mir kommen erste Zweifel.
    Ich betrachte seine Bartstoppeln genauer. Eine perfekte chirurgische Arbeit.
    »Machen Sie sich nichts draus«, lenkt Herr Bender meinen Blick von seinem Kinn zurück in seine blauen Augen, »Moritz, ich meine,Herr Winsberg wirkt immer etwas bizarr auf sein Umfeld. Er hat einen hohen Leistungsanspruch an sich selbst als Fotograf, da er als Mensch sehr unsicher und sozial wenig angepasst ist; er lebt nach seinen eigenen Vorstellungen und lehnt Konventionen, die lediglich der Höflichkeit dienen, ab und ist überaus freiheitsliebend. Erzählt nie etwas über sein Privatleben. Wir wissen nicht mal, wo er wohnt. Abgesehen von dem Atelier im Belgischen Viertel. Ein Künstler eben.«
    »Verstehe«, versuche ich Herrn Bender zu verstehen zu geben, obwohl ich nicht wirklich viel verstanden habe.
    »Ich bin sehr froh, dass Sie so kurzfristig kommen konnten. An einem Freitagnachmittag. Es ist so: Ich plane da ein Projekt im Rahmen des Männermagazins, für das Ihre Bewerbung quasi wie bestellt auf meinem Schreibtisch landete. Daher auch meine Eile mit dem Gespräch. Warum soll man erfolgversprechende Dinge auch lange aufschieben? Aber ich möchte Sie nicht überrumpeln. Gehen wir doch in mein Büro und besprechen ein paar Dinge, Frau Lenartz, wäre Ihnen das recht?«
    Ich folge Herrn Bender in das Chefredaktionsbüro. Der kleine quadratische Raum mit einem Fenster zur Hofseite wirkt hell und aufgeräumt. In seiner Mitte steht ein
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