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Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Titel: Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke
Autoren: Michaela Möller
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einmal pro Tag ihre Lieblingsmusik auf, vergessen Sie Ihre Nachbarn und Ihre Moral, und singen und tanzen Sie so ekstatisch, wie es Ihnen möglich ist. Nutzen Sie diese fünf Minuten, um völlig verrückt zu sein, damit Sie es in den restlichen Stunden des Tages nicht werden.«
    Ich bin gerade dabei, zum völligen Verrücktwerden anzusetzen, als sich ein eigenartiger Fiepton unter die Klänge des Songs mischt. Ein Defekt in der Anlage, der meine Psychohygiene gefährdet? Mein Blick fällt auf den kleinen CD-Player zwischen Toaster und Kochbüchern auf einem Regalboden meines Küchenschranks. Vielleicht ist der darüber hängende Rosmarin hineingerieselt. Da! Wieder dieser Fiepton. Meine Finger drehen am Regler für die Lautstärke. Als ich jedoch die Musik bis auf ein Minimum reduziert und damit Pink leider fast vollständig aus meiner Küche verbannt habe, ertönt der Fiepton nur umso lauter. Die Türklingel. »Na wunderbar!«, gestikuliere ich in Richtung des Musikträgers von Pink, »wenn du nicht so einen Krach gemacht hättest, hätte ich vortäuschen können, dass ich nicht zu Hause bin.« In einer beleidigten Geste drehe ich Pink endgültig den Strom ab, fahre mir kurz mit den Fingerspitzen über den dauerhaft dämlich liegenden Pony auf meiner Stirn und wate zur Wohnungstür. Ich bin über dreißig, Akademikerin, mit Bausparvertrag. Ich tanze natürlich nicht wie ein Teenie, der gerade die Wirkung von Bier entdeckt hat, durch die Wohnung. Der Krach kam aus der Nachbarwohnung, über den ich mich selbst gerade beschweren wollte, bereite ich mich innerlich vor. Ich stelle mich auf Zehenspitzen und versuche, möglichst unauffällig durch den Spion zu gucken, weil ich mir immer einbilde, dass man mich auf der anderenSeite der Tür sonst sehen könne. Was natürlich völliger Quatsch ist. Das ist mir schon klar. Aber mir ist auch klar, dass man sich mit dem Verzehr von Schokoladenpudding von seiner Bikinifigur entfernt, und kann es ebenfalls nicht unterlassen. Im Augenwinkel erspähe ich Frau Sondtheim. Auch das noch! Ihre haselnussbraunen Haare bilden eine klare Kante mit ihrem Kinn, die Lippen sind geschürzt, die blauen Augen weit aufgerissen. Als Nächstes fährt sie sich mit einer Hand durch die perfekte Kante ihrer Haare, ohne deren Zustand dadurch irgendwie zu verändern. Und sie stöhnt. Kein gutes Zeichen.
    »Frau Lenartz, jetzt machen Sie schon auf. Ich kann Sie durch den Spion sehen.«
    Hm.
    Meine Hand wandert zur Klinke.
    Ich bin mir ganz, ganz sicher, dass sie nicht an meiner Psychohygiene interessiert ist.
    »Frau Sondtheim! Ich war gerade auf dem Weg zur Tür.«
    »So, so. Wenn Sie meinen.«
    »Wie kann ich Ihnen denn helfen?«
    »Was für eine entzückende Anmaßung. Aber Frau Lenartz, als ob Sie mir bei irgendetwas helfen könnten. Es sieht doch eher ganzjährig so aus, als ob ich Ihnen behilflich sein müsste.«
    Ihr greller Ton hallt in meinen Ohren nach, so dass ich gar nicht dazu komme, ihre Spitzfindigkeit einer Interpretation zu unterwerfen. Was auch gar nicht weiter nötig ist, da meine Nachbarin mir soeben die Überreste meiner Post in die Hände drückt.
    »Die sind in meinem Garten gelandet. Es schwimmen auch noch ein paar Überreste in meinem Koiteich, falls Sie noch Interesse daran haben.«
    »Ach Gott, ja. Das tut mir leid. Aber wer macht denn auch so etwas?«
    »Geben Sie sich keine Mühe. Die Schnipsel sind groß genug, um Ihren Namen entziffern zu können, Frau Lenartz. Benutzen Sie doch nächstes Mal einen Reißwolf, wenn Sie vorhaben, die Welt mit Ihrem armseligen Leben zu belästigen.«
    Die Röte schießt mir ins Gesicht. Auch wenn ich es nicht sehen kann, ich fühle deutlich, dass meine Wangen ganz ohne Sonne Photogenese betreiben.
    Ich reiße die Papierstücke an mich.
    »Sie haben sie gelesen?«
    »Ha«, stößt meine Nachbarin hektisch hervor und windet sich im nächsten Augenblick, »ja, ich hab sie gelesen. Wie hätte ich mich auch sonst wohl wehren können gegen diese Unverschämtheit. Und übrigens: Ich konnte diesen Frederik wirklich nie leiden. Ein Waschlappen. Wissen Sie, Männer, die nur ihren Mund aufkriegen, wenn sie nachts um drei angetrunken durch den Hausflur fallen, sind mir grundsätzlich unsympathisch.«
    »Ach ja?«
    Mir ist nicht ganz klar, ob ich mich nun bedanken oder sie und ihre Anzüglichkeiten ein paar kleine Treppenstufen in Richtung ihrer Wohnung stupsen soll.
    »Und wie sehen Sie eigentlich aus?«, setzt Frau Sondtheim wieder an, »wollen Sie in
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