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Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Titel: Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke
Autoren: Michaela Möller
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einzige sechsjährige Mädchen, das bereits zwischen Kurkuma, Curry und Safran unterscheiden kann.
    Langsam schiebt sich das Hyatt vor meine Windschutzscheibe. Von Lena jedoch keine Spur. Ich fahre auf die andere Seite des Hotels, vorbei an Pagen, die Koffer durch die Gegend bugsieren, und reichen Damen, die ohne ihre reichen Männer am Rheinufer entlangflanieren. Ich bin gerade dabei, über das Gepäckstück zu fluchen, das einem Pagen von seinem Beförderungsmittel direkt vor die Reifen meines Benz rutscht, als die Beifahrertür aufgerissen wird.
    »Lena!«
    »Fahr los! Schnell!«
    »Soll ich über den Koffer fahren?«
    »Hat das Uralttaxi deines Vaters keinen Rückwärtsgang?«
    »Könntest du dich jetzt bitte mal beruhigen. Ich fahre, sobald dieser Koffer dort weg ist, nach Mülheim und gehe in weniger als zehn Minuten zu einem Vorstellungsgespräch. So lange darfst du neben mir sitzen, aufhören, mich in diesem Ton anzufahren, und mir erzählen, was eigentlich passiert ist. Ich dachte, du wolltest zurück nach Köln, um den Laden aufzumachen.«
    »Das habe ich dir doch schon gesagt.«
    »Du warst in einem Funkloch. Alles, was ich verstanden habe, war: Ich habe Thomas’   … zzzz   … Hoden .«
    Lena lacht. Kein Freudenlachen. Die blanke Hysterie. Ist das überhaupt die Richtige, die ich da vor dem Hotel aufgegabelt habe? Ichversichere mich mit einem Blick nach rechts, bevor ich den ersten Gang einlege. Lenas Haare stehen ab. Das ist ganz, ganz schlecht!
    »Ich habe gesagt, ich habe Thomas betrogen.«
    Nein. Abstehende Haare hin oder her, es muss sich um eine andere handeln.
    *
    »Du gibst mir jetzt dein Handy. Sofort. Und bleib im Wagen sitzen. Du tust am besten gar nichts, bis ich wieder da bin.«
    Sicherheitshalber ziehe ich den Schlüssel aus dem Zündschloss. Mein Blick wandert von Lena, die wie ein zusammengefallenes Etwas auf dem Beifahrersitz kauert, durch die Windschutzscheibe auf das mächtige Gebäude, das sich vor uns in den Himmel reckt.
    »MeMa« , liest meine Freundin laut die Aufschrift darauf vor. Ich bin beeindruckt von der Glasfront, hinter jener schick und schrullig angezogene Männer emsig an ihren Computern sitzen und den Blick nicht vom Bildschirm wenden.
    »Bis gleich, Süße. Und lass den Kopf nicht hängen. Und ruf bitte niemanden an. Erst recht nicht Thomas!«
    »Geht klar«, antwortet Lena kleinlaut, während sie an ihren Fingernägeln pult, »und viel Glück.«
    Die Wagentür fällt hinter mir ins Schloss. Ich nehme zwei Stufen gleichzeitig, drossle jedoch nach dem ersten Treppenabsatz das Tempo wieder.
    Als ich den Eingangsbereich betrete, ganze zwanzig Minuten zu spät, kommen mir laute Soulklänge entgegen. Mein Blick wandert durch das Großraumbüro, während sich die Sonnenstrahlen in den bodentiefen Fenstern brechen. Direkt am Eingang entdecke ich zwei Kollegen, die sich das Video eines sich übergebendenTeenagers auf YouTube ansehen und sich dabei nicht halten können vor Lachen; daneben tippt ein Typ mit zerzaustem Haar, Hornbrille und Strickschälchen – bei 25 Grad Außentemperatur lässig auf dem T-Shirt getragen – auf seinem iPhone herum. Weiter von mir entfernt stehen ein paar Männer vor einem Bildschirm und halten Abzüge von Covermotiven hoch. Ich versuche, die Atmosphäre der Redaktion einzufangen, als mich ein Typ von hinten mit einem Kamerastativ in einen überfüllten Mülleimer stößt.
    Willkommen im Verlagsleben!
    Kaum berapple ich mich wieder, dreht sich der Mann um und reicht mir die Hand.
    »Oh, Entschuldigung!«, sagt er und sieht mich mit seinen dunklen Augen an.
    Ich bin etwas überrascht und suche nach Worten.
    »Nichts passiert.«
    Der eindringliche Blick des Fremden verharrt für einen Moment, in dem ich nicht weiß, was ich sagen soll, dann verdunkelt er sich auf einmal.
    »Warum stehen Sie hier auch mitten im Weg rum«, brummt der Typ sichtlich gestresst von mir und sich und dem Leben.
    Hm.
    »Sie haben mich doch umgerempelt.«
    Gott, wie unverschämt!
    Mein Blick wandert an seinem Körper herab.
    Gott, wie unverschämt männlich.
    Ohne ein weiteres Wort lässt er mich im Eingang stehen und schlendert durchs gesamte Büro. Ich stapfe wütend hinterher. Als ich eine kleine Ansammlung an Schimpfwörtern in meinem Kopf zurechtgelegt habe und gerade die ganze Redaktion daran teilhaben lassen möchte – ich muss nicht hier arbeiten, ich kann mich auchweiter an den sexuellen Belästigungen meines Chefs in der Werbeagentur erzürnen –, halte ich
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