Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman

Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman

Titel: Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman
Autoren: Helmut Krausser
Vom Netzwerk:
Punks pleite waren und den Rest der Zeche prellen
würden. Glücklicherweise regte sich niemand über den Zapfenstreich auf, ein
paar der Mädchen schienen sogar froh darüber, an die frische Luft wechseln zu
dürfen. Kurz vor eins schloß Minnie den Laden ab, ließ fünfe grade sein und
etliche Deckel offen.
    Ekki war heute nicht hier gewesen. Sie vermißte ihn. Bestimmt hatte
er noch etliche römische Kaiser loszuwerden. Minnie klingelte ihn raus, ihr war
nach seiner Nähe, und endlich, nach einer ganzen Weile, öffnete er, stand müde
zwischen Wand und Tür.
    »Was willst du denn so spät?«
    »Na hör mal, ich dachte, du freust dich! Heute war so viel los im
Laden, muß ich dir erzählen.«
    »Laß mal. Mir ist nicht so gut. Ich geh auch gleich ins Bett.« Ekki
wirkte in der Tat abgespannt, leidend, mit viel tieferen Augenringen als sonst.
    »Was hast du denn?«
    »Nichts. Morgen gehts mir bestimmt wieder besser.« Ekki wollte seine
Wohnungstür schließen, Minnie kam das merkwürdig vor. Warum wollte er sie so
schnell abfertigen? Das war so gar nicht seine Art. Normalerweise. Aus der
Wohnung hörte sie ein schwer definierbares Geräusch, ein bißchen so, als würde
jemand gegen etwas getreten haben.
    »Hast du Besuch? Dann sag das doch einfach!« Minnie war nun
neugierig geworden, es erklang ein zweites Geräusch, das eher ein Laut genannt
werden mußte, irgend etwas zwischen Zischen und Winseln, wie von weiter Ferne.
    »Ich hab keinen Besuch, das ist nur der Tee, der pfeift. Kamillentee
gegen den nervösen Magen. Entschuldige mich jetzt bitte, wir sehen uns morgen.
Tschüss.« Mit diesen Worten schob Ekki die Tür vor ihr zu, sehr ungalant, als
fühle er sich belästigt. Minnie staunte, dann zuckte sie mit den Schultern und
ging nach Hause.
    Uwe und Janine saßen auf einer, rechnete man den Halbmond
als Lichtquelle nicht ein, unbeleuchteten Bank im Viktoriapark. Ihr Gespräch
war mühsam in Gang gekommen, aber Janine hatte irgendwann ihren aggressiven
Habitus abgelegt und hörte nun geduldig zu, wie Uwe seine Erlebnisse des Abends
noch einmal aufarbeitete. Nur als er meinte, der Punk, der eben in der Kneipe
rumgepinkelt habe, sei womöglich auch der gewesen, der ihn zuvor ausgeraubt
habe, winkte sie ab, das sei doch sehr unwahrscheinlich, das bilde er sich
bestimmt nur ein. Warum er sie nicht habe wiedersehen wollen, fragte sie und
lenkte die Unterhaltung abrupt auf ein Thema, das sie weit mehr interessierte.
    »Weil du nicht gerne zuhörst.«
    »Weil ich WAS ? Ich hab dir doch eben zugehört,
lange sogar, bis zu dem Punkt, wo es ganz unglaubwürdig wurde. Wie viele
Gedanken du dir machst. Und ganz absurde. Wegen hundertzwanzig Euro! Anstatt zu
feiern, daß dir sonst nichts passiert ist. Darf ich nicht meine Meinung äußern?
Brauchst du jemanden, der mit gespitzten Ohren an deiner Seite hockt und hin
und wieder Wuff sagt? Dann schaff dir einen Hund an!«
    »Was willst du eigentlich von mir?«
    Die Frage, so gestellt, brachte Janine in die Bredouille, denn was
gab es darauf zu sagen, das nicht oberflächlich klingen würde?
    »Respekt!«
    »Wofür?«
    »Wie – wofür?«
    »Wir beide haben uns getroffen, um Sex zu haben, wir hatten Sex,
unsere Wege haben sich getrennt. Was willst du nun? Mehr Sex?«
    »Für so oberflächlich hältst du mich?«
    »Ich kenn dich ja gar nicht.«
    »Das meine ich. Du willst mich gar nicht kennenlernen. Dir fehlt es
an Respekt.«
    »Du meinst, ich müsse eine Frau kennenlernen wollen, weil ich mit
ihr gevögelt habe? Oder meinst du Respekt im Wortsinn, als müsse man noch mal
Rückschau halten, auf das, was da gewesen ist?«
    »Es ist jedenfalls keine gute Nummer, einfach abzuziehen und der Frau das
Gefühl zu geben, sie sei ein Wiedersehn nicht wert.«
    »Ach so. Dein Selbstwertgefühl hat gelitten. Aber ich hab doch einen
Zettel hinterlassen. WAR EINE TOLLE NACHT stand, glaub ich,
drauf.«
    »Lippenbekenntnisse! Wer soll daran glauben? Wenn es sone tolle
Nacht gewesen wäre, hättest du dich wieder bei mir gemeldet.«
    »Was hätt ich denn schreiben sollen? War ne Scheiß-Nacht, auf
Nimmerwiedersehen?«
    »War es denn sone Scheiß-Nacht?« Janine mußte dagegen ankämpfen,
diesem Typen nicht einfach das Gesicht zu zerkratzen.
    »Nein, es war ne ganz okaye Nacht. Wirklich rundrum ganz okay. Aber –«
    »Was aber? Rück raus!«
    »Als ich dir erzählt hab, von dem Typen, der sich wegen der
Wurstabschnitte beschwert hat, und daß ich Marktleiter bei Karstadt bin, hast
du angeödet
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher