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Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman

Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman

Titel: Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman
Autoren: Helmut Krausser
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Flucht ein, gestand ihm keinerlei Würde zu. Ihm standen Tränen in den
Augen, er holte tief Luft. Viel hätte er in diesem Moment für eine geladene
Maschinenpistole gegeben! Quer durchs Lokal brandete Beifall auf.
    »Normalerweise«, sagte Minnie zu Holger, »würd ich dich
auch rausschmeißen! Aber weil du so mutig meine Ehre verteidigt hast, spendier
ich euch ne Runde aufs Haus. Die hundertzwanzig Euro auf euren Deckeln sind
nämlich fast voll.«
    »Danke schön, Frau Kellnerin!« Holger strahlte übers ganze Gesicht,
verschränkte die Arme und tanzte wie ein Donkosake, daß alle über ihn lachen
mußten.
    Uwe tat, als habe er nichts gehört. Hatte die Kellnerin gerade was
von hundertzwanzig Euro gesagt? Nein, das war sicher nur Einbildung gewesen. Er
hörte Dinge.
    »Können wir jetzt gehen?« Janine zupfte ihn am Ärmel.
    »Wohin?«
    »Erst mal raus?«
    »Gut.«
    Johnny war auf dem Boden hocken geblieben, teils aus
Angst, teils, weil er beim besten Willen nicht ahnte, wo künftig sein Platz im
Leben war. Verschämt griff er nach seinem Glas Bier, beschloß dann, lieber
nicht davon zu trinken.
    Mahmud, aus Mangel an sonstigen Möglichkeiten, klingelte.
Marlenes Mutter, die eben zu Bett gehen wollte, sah ihn erst, dann roch sie
ihn. Sie widerstand dem ersten Impuls, diesem stinkenden Subjekt die Tür vor
der Nase zuzuknallen, weniger aus Mitleid denn aus Neugier.
    »Bitte, ich muß Swentja sprechen!« sagte, sehr leise, das stinkende
Subjekt. Weil Mahmud sich der peinlichen Umstände, unter denen er hier Hilfe
suchte, voll bewußt war, trat er zwei Schritte zurück.
    »Was willst du noch hier?«
    Swentja war vor die Tür getreten. »Was ist denn passiert? Du stinkst
nach Pisse!«
    »Ich weiß. So kann ich nicht nach Hause. Du mußt mir helfen.«
    »Ich? Dir?«
    »Ja. Es tut mir alles so leid. Was ich zu dir gesagt hab. Es war
nicht so gemeint. Jemand hat mich angepinkelt. Ich bin naß und stinke. Ich muß
unter die Dusche. Hilfst du mir? Bitte! Ich bin überfallen worden. Ja, ich war
ein Arsch, ich kanns nicht anders sagen. Es tut mir leid. Hörst du?«
    »Das kann ich nicht entscheiden. Frag Lenes Mutter!«
    Lenes Mutter, die sich während jenes Dialogs hinter der Haustür
verborgen gehalten hatte, schob nun ihren Kopf zwischen Swentja und Tür und
warf einen langen, prüfenden Blick auf den jungen Stinkemenschen.
    »Gut, komm rein, faß bitte nichts an. Die Dusche ist da hinten.«
    »Danke. Tausend Dank!«
    Mahmud betrat die Duschkabine, ließ das Wasser laufen, stellte sich
in voller Montur unter den Strahl, um die Schande von sich abzuwaschen. Swentja
sah ihm zu, sie stand hinter dem Milchglas, mit in die Hüften gestemmten
Händen.
    »Was ist passiert?«
    »Ne Horde besoffener Punks! Hab keine Chance gehabt!« rief Mahmud in
den Dampf. »Kann ich bei dir übernachten? Meine Sachen müssen trocknen.«
    »Das ist mir nun aber gar nicht recht!« empörte sich Lenes Mutter,
die, müde von der Arbeit, endlich ihre Ruhe haben wollte.
    Swentja ergriff massiv Partei für ihn, soviel bekam Mahmud trotz der
Geräuschkulisse aus prasselndem Wasser mit. »Wir stekken seine xxxxxx
Trockenschleuder, er kann xxxxxxxxx Couch übernachten, und morgen früh xxxxx
verschwunden. Großes Ehrenwort!«
    »Na schön.«
    Mahmud hatte ein Kleidungsstück nach dem anderen abgelegt, bis er
nackt unter der Dusche stand, von drei weiblichen Wesen, Marlene war noch
hinzugekommen, begutachtet. Plötzlich verschwanden zwei dieser Beobachter, und
nur noch Swentja stand da, ebenso nackt wie Mahmud, ihr Körper drängte sich an
seinen, unter einem Strahl heißen, sich in viel Dampf verwandelnden Wassers. Er
sagte ihr, daß er sie liebe. Ihr ginge es sonderbarerweise ganz genauso. Sagte
sie.

8
    FREITAG NACH MITTERNACHT
    Holgers Führungsrolle innerhalb der Gruppe war
unangreifbar geworden. Die Punks betranken sich, tanzten auf dem Tresen, sangen Ich mach mir
die Welt, fidiwidiwitt, wie sie mir gefällt ,und Sibylle spürte den
dringenden Wunsch, als Holgers feste Freundin, somit als weibliches Alphatier
anerkannt zu werden. Sie schob ihr T-Shirt hoch, zeigte ihre etwas
unsymmetrischen Brüste, was im Augenblick das Coolste war, zu dem sie sich
entschließen konnte. Holger leckte an ihren Nippeln und betrachtete, in Rodinscher
Denkerpose, seinen verpickelten Hintern im Spiegel.
    Minnie hatte alle Mühe, weitergehende Exzesse zu verhindern. Gegen
halb eins begann sie, die Stühle auf die Tische zu stellen. Ihre Erfahrung
flüsterte ihr, daß die
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