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Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman

Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman

Titel: Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman
Autoren: Helmut Krausser
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getan, hast meinen Beruf langweilig genannt! Wo war da dein Respekt
für mich?«
    Janine erinnerte sich wieder. Sie war angetrunken gewesen und frech.
    »Das ist der Grund gewesen? Ich hab dich verletzt?«
    Uwe nickte. Von einem Moment auf den andern beurteilte Janine die
Situation völlig neu und mußte sich darin erst zurechtfinden.
    »Du Ärmster! War ich nicht genug beeindruckt von dir?«
    Was sie da von sich gab, wollte mitfühlend klingen, klang indes wie
neuer, noch schlimmerer Spott. Uwe hingegen tat so, als habe er keinen mokanten
Ton herausgehört. »Weißt du, meine Frau hat mich im Grunde nur verlassen, weil
ich beruflich nicht genug erreicht hab, um mit ihr in einer Liga zu spielen.
Deswegen ist das ein wunder Punkt bei mir.«
    »Diese Edeltusse bei Monsieur Vuong – war das wirklich deine Frau?«
    »Ja, die Tusse ist meine Frau, und ich liebe sie noch immer,
leider.«
    »Tschuldigung.« Janine kam sich ausmanövriert vor, erbärmlich,
widerlich. Sie wollte nach Hause, schnell, ansonsten bestand die Gefahr, daß
sie diesem larmoyanten, selbstmitleidigen Kerl auf den Leim gehen und zu Kreuze
kriechen würde. Diesem Menschen, der doch eigentlich überhaupt nicht zu ihr
paßte. Bei Licht besehen. Diesem unschöpferischen Menschen, diesem Angestellten .
    Aber Uwe schob, ohne jede Vorankündigung, sein Gesicht ganz nah an
ihres heran und flüsterte: »Schon gut.« Dann küßte er sie, erst auf die Stirn,
dann auf den Mund. Janine ließ ihre Zunge zwischen seine Lippen gleiten, wühlte
ihre Finger in sein Haar, packte mit beiden Händen seinen Nacken, zog ihn noch
fester zu sich und wollte ihn nicht mehr loslassen.

9
    Freitag, halb zwei Uhr morgens, empfing Carla eine SMS von Thomas.
    ICH FÜHLE MICH SCHRECKLICH. VERMISSE DICH UNENDLICH .
    Sie saß zu Hause, konnte nicht schlafen, sah fern und naschte ein
Tartufo-Eis. Morgen wollte sie in den Club gehen, sich den hübschen Schwarzen
schnappen und endlich wieder aufregenden Sex haben, verbunden mit der Gefahr
irgendeiner Anstek-kung. Pfeif auf die Karriere. Sie schrieb zurück:
    ACH KOMM! WIRST MICH JA JEDEN TAG IM BÜRO SEHEN.
    Eine Minute später kam Thomas’ Antwort:
    ICH LIEBE DICH. KÖNNEN WIR WENIGSTENS NOCH EINMAL SEX
HABEN?
    Sie schrieb zurück:
    WARUM?
    Diesmal ließ die Antwort etwas länger auf sich warten.
    DAMIT ICH BEWUSSTER VON DIR ABSCHIED NEHMEN KANN.
BITTE!
    Carla gefiel es, sich Dr. Thomas Stern vorzustellen, wie er vor ihr
auf den Knien lag und bettelte. Zu oft hatte er ihr das Gefühl gegeben, mit ihm
zusammenzusein, sei für eine Sekretärin eine Auszeichnung.
    VERGISS ES . Carla schaltete ihr Handy
ab und ging zu Bett. Vielleicht würde sie ihn noch ein wenig hinhalten, ihm die
Möglichkeit eines Abschiedsficks dann vage in Aussicht stellen, sie schloß
nicht einmal völlig aus, daß es zu diesem Abschiedsfick kommen könnte. Vorher
ein grandioses Abendessen im Borchardt , zwei Dutzend Rosen und eine Gehaltserhöhung
waren die Mindestleistungen, die Thomas dafür aufbieten müßte. Sie war gespannt
darauf, wie weit er gehen, wie weit ihn seine Geilheit treiben würde. Die Welt
war spannend und ein Spiel. Man mußte es nur zu spielen verstehen. Nach eigenen
Regeln. Carla schüttelte nun den Kopf darüber, wie lange sie Spielstein oder
gar nur Zuseherin geblieben war. Die Liebe. Die Liebe war schuld. Aus
irgendeinem, längst nicht mehr nachvollziehbaren Grund hatte sie Thomas
tatsächlich geliebt. Drei, fast vier Monate lang. Unfaßbar. Von jetzt aus
betrachtet.
    Johnny wußte nicht, wohin er gehen sollte. Seine Eltern
machten sich seinetwegen bestimmt schon große Sorgen. Die gönnte er ihnen.
Absolut. Sie sollten leiden. Er hatte Lust, ihnen noch mehr anzutun, indem er
sich selbst etwas antat. Doch schien ihm jener Aufwand zu monströs, relativ zum
Ertrag.
    »Was für ein geiler Abend!« Stiefel sprach für alle. Er
grölte mehr, als daß er sprach. Sie waren mit dem Nachtbus an ihrem Quartier in
Alt-Mariendorf angekommen, legten sich pennen in dem verfallenen, vom Schimmel
gezeichneten Haus, und niemand ließ einen Zweifel daran, daß Holger und Sibylle
künftig das Königspaar der Truppe sein würden.
    »Ist mir echt eine Ehre, unter euch beiden gedient zu haben!« Socke,
sturzbetrunken, umarmte Holger, küßte ihn auf beide Backen, bevor er noch mal
ins Freie mußte, um zu erbrechen.
    »Gut, dann sind wir jetzt ein Paar«, stellte Sibylle lakonisch fest.
Holger schnurrte, wie eine zufriedene Katze nach der Fütterung. Er kniete vor
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