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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder
Autoren: Betty McDonald
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es mir gern beibringen, aber wenn ich auf eine Laufbahn als Spion aus sei, fände sie es nur fair, mich zu warnen, daß ich meine Zeit vergeudete, denn alle Spione seien geschmeidige Leute, die durch kleine Öffnungen kriechen könnten.
    Sheila beschloß, ein Buch zu schreiben, und Kimi entschied sich für das Studium der Psychiatrie. Sie sagte: „Wo wir hier so seltene Laboratoriumsexemplare zur Hand haben, kann ich vielleicht beinahe sofort berühmt werden.“
    Dann hielten eines Montags um 2 Uhr 30 die klappernden Schritte der Oberschwester an meiner Tür ein, jedoch an dem Bett meiner Zimmergefährtin, der befohlen wurde, sich sofort im Speisesaal zu melden. Sie kam nach kurzer Zeit wieder und erzählte, der Chefarzt hätte ihr gesagt, daß sie noch an diesem Nachmittag nach Hause gehen könne, wenn sie wolle; aber sie wolle nicht, es gefiele ihr im Fichtenhain, und sie gedächte noch einen oder zwei Monate zu bleiben. Ich widerstand dem starken Verlangen, ihr für diesen weiteren Beweis von Dummheit eine Ohrfeige zu geben, und fragte nur, wer sonst noch entlassen worden sei.
    Es waren sechs. Eine sehr reizende Frau mit vier kleinen Kindern; Väterchen mit ihren verschossenen Miedern; eine runde, kleine Frau, die rosageblümte Schlafanzüge trug und wie ein Sparschweinchen aussah; eine Frau, die Rückenmarkstuberkulose gehabt hatte, der man das kranke Stück der Wirbelsäule herausgenommen und durch ein Stück aus ihrem Oberschenkel ersetzt hatte, die geduldig über ein Jahr lang flach auf dem Rücken gelegen hatte, aber nicht für ihre glänzende Genesung belohnt wurde, sondern dafür, daß sie sich fünfzehn Monate lang nicht das Haar hatte waschen lassen; ein junger Zeitungsreporter und der hübsche junge Mann, der Eleanor zum Film abgeholt hatte. Im Speisesaal gab es einen ohrenbetäubenden, donnernden Beifall jedesmal, wenn einer der Entlassenen sein Tablett an seinen Tisch trug.
    Als die Oberschwester nach dem Abendessen ihre Visite machte, sagte meine Zimmergefährtin: „Ich will jetzt noch nicht nach Haus. Ich denke, ich bleib noch ein paar Monate.“ Die Oberschwester antwortete: „Der Chefarzt hätte Sie nicht entlassen, wenn Sie nicht nach Hause könnten. Wir sind sehr überfüllt. Bitte verschwinden Sie sofort.“ Ich hätte ihr am liebsten einen Kuß gegeben.
    Nach dem Messen und Pulsfühlen stellten wir uns alle auf den Wandelgängen auf und sahen zu, wie die Wagen vorfuhren und die glücklichen sieben mitnahmen. Als der junge Ehemann die reizende Frau mit den vier kleinen Kindern abholte, weinten alle. Der Ehemann, ein ziemlich dünner, gebeugt gehender junger Mann, stieg vorsichtig mit dem Baby im Arm aus dem Wagen und blieb dann, während die anderen Kinder ihm um die Füße purzelten, in der Dämmerung außerhalb des Speisesaals stehen und sah erwartungsvoll auf die Ambulanten-Station. Als seine gesunde Frau in ihrem viel zu engen, abgetragenen Kostüm herauskam, reichte er ihr das Baby hin, hob jedes Kind hoch, damit es seinen Kuß bekam, legte dann schützend seinen dünnen Arm um ihre rundlichen Schultern und führte sie zu dem alten Wagen.
    Als wir mit tränenblinden Augen den Lichtern des letzten Wagens gefolgt waren, der den letzten freien Patienten die Auffahrt hinunter, zum Tor hinaus und um die Kurve davontrug, zogen Kimi, Sheila, Evalee und. ich uns in meinen Waschraum zurück, tranken dort Tee und unterhielten uns trübsinnig über die lange, lange Woche, die zwischen uns und dem nächsten Montag lag. Evalee sagte: „Ich weiß nicht, was ich machen würde, wenn mich der Chefarzt mit acht Stunden nach Haus schickt. Wo mein Mann fort ist, und Mutter arbeitet, muß ich doch bestimmt länger als acht Stunden auf sein, wenn ich meine zwei kleinen Kinder versorgen soll.“ Kimi sagte: „Sie müssen eben einfach den Kleinen ein Schlafmittel geben, dann können Sie alle sechzehn Stunden am Tag schlafen.“
    Sheila sagte: „Na, ich halt mich eben nicht an die acht Stunden, wenn ich nach Haus komme, und solang ich lebe, werd ich mich nicht mehr mitten am Tag hinlegen.“ Evalee meinte: „Warten Sie nur, bis Sie erst eine Familie haben. Da werden Sie sich Stein und Bein freuen, wenn Sie einen Vorwand für ein Mittagsschläfchen haben.“ Ich sagte gar nichts. Ich kam aus einer Familie, für die ein Schläfchen am frühen Abend oder Nachmittag nur für kleine Kinder und Greise in Betracht kam. Ich überlegte, ob der Chefarzt wohl von diesen Schwierigkeiten wüßte und sie berücksichtige,
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