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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder
Autoren: Betty McDonald
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Joan stürzten aus dem Wagen, Mutter kam mit meinem Tweedmantel hinterher. Ich rannte die Rampe hinunter, wurde von Armen und meinem alten Mantel umfangen, und dann ging’s zum Wagen und davon. Das erregende Gefühl, als wir durch die Tore fuhren, um die Kurve herum und das Sanatorium aus den Augen verloren, werde ich niemals vergessen.
    Als wir vorm Haus hielten, standen meine Schwestern Dede, Alison und Madge, die Hunde und Katzen zu meiner Begrüßung auf der Vortreppe. Wir gingen alle hinein, Anne und Joan eng an mich geschmiegt, und dann trank ich ungezählte Tassen köstlichen, starken, heißen Kaffee. Ich fühlte mich geborgen, zufrieden und so glücklich. Nach einer Weile fing Madge an, Klavier zu spielen. Sie spielte „Zwei beim Tee“, „Tag und Nacht“, „Leib und Seele“, „Judy“, alle meine Liebhngslieder, und ich war überwältigt. Alles war einfach viel zu schön. Ich weinte, die Kinder auch, die Hunde bellten, und alle anderen versuchten, mit lauten Stimmen vergnügt zu sein. Mutter brachte schnell das Mittag herein.
    Wir setzten uns zu Tisch, und für ein paar Minuten waren alle sehr fidel. Dann legte Joannie ihren Suppenlöffel hin und fing an zu heulen. Mir selbst liefen Tränen des Mitgefühls aus den Augen, als ich sie fragte, was sie denn hätte. Sie schluckte und brachte heraus: „Ich hab gerade daran gedacht, daß ich dir doch meine neuen Schuhe zeigen wollte, und da ist mir eingefallen, daß sie Farbflecken haben.“ Ich überredete sie schließlich, sie doch auf jeden Fall zu holen. Da kam sie mit einem Paar sehr großer mexikanischer Sandalen herunter, die auf einer Seite einen schwarzen Farbfleck in Stecknadelkopfgröße hatten. Ich brach in Begeisterung aus über die Eleganz und erstaunliche Größe der Schuhe, und bis das Mittagessen vorbei war, blieb alles friedlich.
    Dann erschienen Bruder Cleve mit seiner Frau Margaret und dem Sohn Allen, liebe Nachbarn mit ihren Kindern, das „liebe Baby“, jetzt ein kleiner Junge, der einem die Hand gab und deutlich und gesetzt redete, und Kinder aus der Nachbarschaft. Alle wollten die heimgekehrte Kranke sehen.
    Die ganz ungewohnte Atmosphäre liebevoller Freundlichkeit war aber doch zu viel für mich, ich weinte wieder, und die Kinder machten mit. Als der Besuch gegangen war, legten wir neue Scheite aufs Feuer, brühten nochmal Kaffee auf und nahmen uns vor, aus den flüchtigen acht Stunden das Beste zu machen.
    Unglücklicherweise warf ich die Frage auf, wo ich schlafen sollte, wenn ich zurückkäme, wodurch herauskam, daß das ständig eiskalte, doch mit eigenem Bad im Erdgeschoß versehene Schlafzimmer nicht etwa zu meiner Rückkehr mit Blumen in Kristallvasen geschmückt, sondern seit meinem Fortgang unverändert geblieben war. Es war sogar als Abstellzimmer benutzt worden. „Genau so, als hättet ihr nicht erwartet, daß ich je wieder nach Hause komme,“ sagte ich gebrochen. „Aber wir wußten doch, daß unser Glück nicht ewig dauern könnte,“ sagte Dede und legte ihren Arm um mich. Der Streit, wer das hintere Schlafzimmer sauber zu machen habe, bevor ich nach Hause käme, endete in einem gewaltigen, sehr heftigen Familienzwist, in dem jedes Unrecht zur Sprache kam, das jedem von uns zugefügt war, soweit wir zurückdenken konnten. Mitten in diesem Sturm von Gefühlen stellte ich mit Entsetzen fest, daß ich weinte und Schiffchenarbeiten machte!
    Ich war um Punkt 8 Uhr im Büro und ziemlich enttäuscht, daß Puls und Temperatur völlig normal waren. Da ich mit warmen Schinkenbrötchen und Schokoladentafeln beladen zurückkam, wurde ich von meinen tuberkulösen Freunden mit heller Begeisterung begrüßt.
    Als das Licht aus war, lag ich im Dunkeln und dachte über den Tag nach. Ich war überzeugt, daß meine Familie nicht die geringste Ahnung von der Bedeutung der Worte Ruhe und Stille hatte; daß sie meinte, da ich viel gesunder aussähe als sie alle zusammen, müsse ich auch ebenso kräftig oder noch kräftiger sein; daß es zu Hause unmöglich sein würde, die Ruhestunden einzuhalten oder die acht Stunden Aufstehzeit nicht zu überschreiten. Ich war sehr müde, ganz unglücklich und durcheinander und machte mir nichts daraus, daß ich auf meinen nächsten Stadturlaub verzichten mußte.
    Am nächsten Morgen teilte man Kimi und Sheila mit, daß ihr nächster Stadturlaub ebenfalls gestrichen sei; mit der Begründung, daß die Oberschwester glaube, sie glaubten, daß sie ihr überlegen seien. Sie behaupteten, daß sie sich
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