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Einmal durch die Hölle und zurück

Einmal durch die Hölle und zurück

Titel: Einmal durch die Hölle und zurück
Autoren: Josh Bazell
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hochwertiges modernes Video, diesmal von einem düster dreinschauenden alten Mann, der vor einem Pier steht.
    Die Sprecherstimme mit ihrem Zischen meldet sich wieder zu Wort und sagt:
»Manche behaupten sogar, mit ihm aneinandergeraten zu sein.«
    »Das Ganze ist ein paar Jahre her«, sagt der Alte.
    Dann steht er da wie ein Häufchen Elend.
    Aus dem Off stellt jemand eine Frage, die kaum zu hören ist.
    »Oh, ich kann mich noch gut erinnern«, sagt der Alte. »Als wär’s gestern gewesen.«
    »Okay«, sagt Rec Bill zu mir. »Sehen Sie sich das an. Jetzt wird’s interessant.«

Anlage B: Lake Garner, Minnesota
    Vor neunzehn Jahren [9]
    Es ist neun Uhr morgens – ziemlich spät zum Angeln, aber das ist Charlie Brisson scheißegal. Er ist nicht zum Angeln zu diesem bescheuerten See mitten im scheiß Wald gekommen. Er ist hier, um sich zu besaufen und zu vergessen, dass seine Frau mit seinem verdammten Schichtleiter vögelt.
    Das Saufen klappt immerhin. Beim Aufwachen lag Brisson nur halb im Zelt, er fror, und sein Gesicht war total von Mücken zerstochen. Doch er stellte sich bloß vor, wie Lisa von Robin in den Arsch gefickt wird.
    Das stellt er sich immer noch vor. Hier gibt’s keine großen Ablenkungsmöglichkeiten. Vielleicht hätte Brisson daran denken sollen, bevor er hier rauskam. Vielleicht sollte er nicht so ein verdammter Idiot sein.
    Er kann sich einfach nicht damit abfinden. Es ist, als hätte eine neue Lisa den Platz derer eingenommen, die Brisson geliebt hat. Die gute Lisa hätte ihm so was nie angetan.
    Brisson weiß, das ist Schwachsinn, und die gute Lisa hat nie existiert. Scheißegal – sie fehlt ihm so.
    Er bricht in heftiges Schluchzen aus.
    Brisson beugt sich vor, damit ihn die Sonne nicht länger blendet, die Beine direkt vor sich auf den Boden des Kanus gestemmt. Er sinkt immer weiter nach vorn, bis er plötzlich das Gefühl hat, als würde sich alles drehen, und er sich mit einem Ruck aufrichtet und fast das Boot umkippt.
    Danach bemüht er sich, auf die Angelschnur zu achten. Als ob das helfen würde. Die Schnur liegt bloß auf dem Wasser. Der ganze See lacht über ihn. Er ist so leer wie Brissons beschissenes Leben.
    Brisson fängt wieder an zu schluchzen.
    Scheißbarsche. Verdammte Scheißzander. Als Brisson herausfand, dass Lisa mit Robin vögelt, hat Lisa geschworen, sie hätten es nie im Büro des Bergwerks getrieben, während Brisson unter Tage war.
    Natürlich haben sie’s in dieser Zeit dort getrieben. Warum auch nicht? Nirgends war es so ungefährlich. Brisson befand sich achtundzwanzig Stockwerke unter der Erde und konnte nur wieder nach oben kommen, wenn er in dem verdammten Büro den Aufzug anforderte.
    Tut mir leid, dass ich euch verdammt noch mal
unterbreche
.
    Brisson weint ohne Unterlass. Vergräbt sein juckendes, verzerrtes Gesicht in den Händen.
    Nach einer Weile macht ihn das stutzig, denn es bedeutet, dass er die Angel nicht mehr in der Hand hält.
    Er blickt sich um. Die Haut verbrannt vom reflektierten Sonnenlicht, und plötzlich ein weiterer Schwindelanfall.
    Die Angel liegt nicht im Boot. Sie treibt auch nicht auf dem Wasser, zumindest nicht in der Nähe. Brisson kann sich nicht mehr erinnern, ob sie überhaupt auf dem Wasser treiben kann. Oder ob er am Zeltplatz eine Ersatzangel hat.
    Einen Augenblick überkommt ihn panische Angst, weil er glaubt, er könnte auch das Paddel verloren haben, aber dann sieht er es neben seinen Füßen, Gott sei Dank. Zerrt es los, um ans Ufer zu paddeln, wo er – scheiß drauf! – sich wieder betrinken kann.
     
    Doch am Zeltplatz ist Brisson völlig verwirrt.
    Auf keinen Fall hat er schon das ganze Bier getrunken. Brisson trinkt Bier nur zum Nachspülen. Außer wenn seine Frau sich als miese, verlogene Hure erweist, trinkt er nicht besonders viel. Und außerdem hat er noch jede Menge Jim Beam.
    Zu seiner Überraschung liegen ein paar leere Dosen herum – er behauptet ja nicht, sich an letzte Nacht zu
erinnern
, sondern nur, die Ereignisse anhand der vorliegenden Beweise rekonstruieren zu können –, aber bei weitem nicht so viele, dass man daraus schließen könnte, er habe das ganze Bier weggetrunken. Und es wurde auf keinen Fall von Bären geklaut. Brisson hat zwar selbst schon mal gesehen, wie ein Bär, die Flasche in beiden Tatzen, ein Bier getrunken hat, aber er weiß, dass Bären Dosen nicht ausstehen können.
    Brisson durchwühlt sein Zelt und seine restlichen Sachen und geht dann zum Kanu zurück, um dort
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