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Einmal durch die Hölle und zurück

Einmal durch die Hölle und zurück

Titel: Einmal durch die Hölle und zurück
Autoren: Josh Bazell
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seinem Schreibtisch, woraufhin ein Teil der Wand als Bildschirm aufleuchtet.
    Mit einer weiteren Handbewegung dämpft er das Licht.
     
    Anfangs läuft das Video ohne Ton. Eine Weile sind bloß Fotos zu sehen, größtenteils sepia oder schwarzweiß, die mit Hilfe der »Ken Burns«-Funktion irgendeiner Bildbearbeitungssoftware ineinander übergehen. Wälder und Seen. In Wildleder posierende Indianer. Ein paar bärtige Männer in Flanellhemden vor einem Stollen. Plötzlich in Kodachrome, so dass es nach siebziger Jahren aussieht, eine Familie in einem Kanu. Dann, wieder in Schwarzweiß, noch mehr Wälder und Seen.
    Schließlich kommt eine raffinierte Bildfolge: zuerst das Farbfoto einer Felswand am Ufer eines Sees, anscheinend vom Wasser aus aufgenommen, dann ein Foto aus derselben Perspektive, doch näher dran, und das nächste noch näher dran. Und auf einmal erkennt man auf dem Felsen eine primitiv aussehende Zeichnung.
    Es ist ein Elch, Auge in Auge mit einem viel größeren Tier, das unter ihm auftaucht wie eine Schlange oder ein riesiges Seepferdchen. Das Geschöpf hat Hörner und eine Schnauze. Dem Elch hängt vor Überraschung die Kinnlade runter. Ringsum liegen ein paar kleinere Tiere auf dem Rücken, die Füße in die Luft gestreckt, offenbar tot.
    Das Bild friert ein. Und dann sagt die dilettantisch dröhnende Stimme eines männlichen Sprechers, begleitet von einem Hintergrundrauschen:
»Seit Jahrhunderten ist bekannt, dass im Wasser des White Lake ein geheimnisvolles Geschöpf lebt. Viele Indianerstämme, darunter auch die Chippewa und andere Stämme des Anishinaabe-Volkes, erzählen Legenden von diesem Geschöpf, die bis in die Tiefen der Zeit zurückreichen. Das rätselhafte Verschwinden von Hunden, Vieh und anderen Tieren ist seit über vierhundert Jahren belegt. Und gegenwärtig? Viele Bewohner des Städtchens Ford, das in nächster Nachbarschaft zum White Lake liegt, sagen, sie hätten das Ungeheuer mit eigenen Augen gesehen. Manche behaupten sogar, es mehrmals gesehen zu haben.«
    Es folgt ein mit der Handkamera aufgenommenes modernes Video von mehreren Leuten, die vor einer Gemischtwarenhandlung stehen. Eine Stimme, vielleicht die des Sprechers, die im Freien allerdings kraftlos klingt, fragt: »Wer von Ihnen hat das Ungeheuer schon mal gesehen?«
    Alle in der Gruppe heben die Hand. »Schon zweimal«, sagt eine Frau.
    Das Video wechselt unvermittelt zu einer Jugendlichen in Wanderkleidung und mit Panoramabrille, die davongeht, während die Kamera ihr am Wald entlang folgt. Fast wie in einem Horrorfilm.
    Die Stimme fragt: »Junge Frau, haben Sie im White Lake ein Ungeheuer gesehen?«
    »Bitte hören Sie auf, mich zu filmen«, erwidert die Frau.
    »Ja oder nein?«
    »Ja, okay?«
    Der Bildschirm wird schwarz, und die dröhnende Sprecherstimme meldet sich wieder zu Wort:
»Manchen ist es gelungen, das Ungeheuer zu fotografieren.«
    Es folgt ein buntes Geflimmer, und dann ist ein Bild zu sehen, das wie eine Handkameraaufnahme von einem alten Fernseher aussieht, auf dem gerade ein Videoband läuft. Der Bildschirm ist nach außen gewölbt, so dass man im grellen Licht kaum etwas erkennen kann. Auch der schrullige Text am unteren Rand ist schlecht zu entziffern: » DAS DR .- MCQUILLEN - BAND «. Plötzlich zoomt der Filmende auf die rechte obere Ecke des Bildschirms, und es ist nur noch ein körniges Bild zu sehen. Aber gerade als man sich zu fragen beginnt, ob es da draußen vielleicht einen Laden gibt, dessen einzige Aufgabe darin besteht, an Leute, die getürkte Videos drehen, eine beschissene, uralte Ausrüstung zu verleihen, erkennt man eine auf dem Wasser schwimmende Ente.
    Plötzlich birst das Wasser, und die Ente ist verschwunden.
    Ich spüre ein Stechen in der Brust. Der heftige, blitzschnelle Angriff und das jähe Auftauchen aus ruhigem Wasser erinnern mich an einen Hai.
    Ich kann Haie nicht ausstehen, seit ich vor zehn Jahren mal eine üble Nacht in einem Aquarium verbracht habe.
    In dem Video sagt eine Stimme: »Moment mal«, und das Bild auf dem Fernseher friert ein, der Film wird im Zeitraffer zurückgespult und noch mal Bild für Bild abgespielt.
    Inzwischen schwitze ich.
    Die Ente. Das Wasser. Etwas, das aus der Tiefe auftaucht – dunkel, aber vom aufspritzenden Wasser verborgen – und die Ente völlig verdeckt. Dann ist dieses Etwas mitsamt der Ente verschwunden, ohne dass man erkennen konnte, was es war.
    Ein Aufblitzen, und schon sehen Rec Bill und ich wieder ein qualitativ ziemlich
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