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Einmal durch die Hölle und zurück

Einmal durch die Hölle und zurück

Titel: Einmal durch die Hölle und zurück
Autoren: Josh Bazell
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nachzusehen. Als könnten darin ein paar Sixpacks rumliegen, die er beim Angeln irgendwie übersehen hat.
    Im Boot liegt kein Bier, doch der Blick, den er von dort hat, ruft ihm ins Gedächtnis, was er mit den übrigen Dosen angestellt hat.
    Er hat sie im White Lake deponiert.
     
    Der White Lake ist kein eigenständiger See. Er ist ein Zipfel des Lake Garner, davon getrennt durch eine schmale Landzunge, die nicht mal von einem Ufer zum anderen reicht.
    Aber es ist auch nicht derselbe See. Auf dem Lake Garner hat Brisson zum Beispiel noch nie Nebel gesehen, doch über dem White Lake scheint meistens welcher zu wabern. [10] Und während Brisson noch nie gehört hat, dass im Lake Garner ein Kind oder auch nur ein Hund ertrunken wäre, ist der White Lake eine echte Todesfalle. Im White Lake ist George Lascadis’ sechsjähriger Sohn ums Leben gekommen, der arme Kerl. Damit ist Lascadis gemeint. Aber auch der arme Junge. Menschenskind.
    Der Lake Garner ist schön, und der White Lake ein Höllenschlund.
    Außer wenn man Bier lagern will.
     
    Brisson schlittert auf der White Lake-Seite die Landzunge hinab. Sie besteht hauptsächlich aus Wurzeln, als hätten die grässlichen Birken die ganze Erde gefressen. Die Wurzeln sind glitschig, kalt und spitz, und sie riechen verfault.
    Aber Brisson muss zum Wasser. Allem Anschein nach hat er ein Bungeeseil an einem der Baumstämme festgebunden und am anderen Ende des Seils das Bier befestigt. Aus irgendeinem Grund ist das Seil straff gespannt – irgendwas muss sich unter Wasser verheddert haben. Er sollte vorsichtig sein, damit ihm das Sixpack, oder was auch immer es ist, nicht wie ein Gummiband um die Ohren fliegt, wenn es sich losreißt.
    Als er mit den Füßen das Wasser erreicht, muss er feststellen, dass es scheißkalt ist. Brisson hat jetzt nur noch seine enge weiße Unterhose an, und obwohl sie dreckig und klatschnass ist, hat er keine Lust, sie auszuziehen. Die Vorstellung, splitternackt auf diesem Wall aus dornigen Wurzeln zu stehen, macht ihm Angst.
    Er setzt sich, taucht die Beine bis zu den Knien ins Wasser und zieht sie dann wieder raus. Das Wasser ist so kalt, dass er jedes einzelne Rinnsal spürt, das auf seinen Schoß zuläuft.
    Scheiße. Er steht wieder auf. Dreht sich um und packt das Bungeeseil wie beim Abseilen. Was macht es schon, wenn ihm das Bier an den Hinterkopf knallt? Vielleicht stirbt er daran. Wäre nicht das Schlimmste, was ihm diese Woche passiert ist.
    Brisson lässt sich langsam ins Wasser hinunter. Die Wurzeln oberhalb der Wasserlinie waren glitschig, aber die unter Wasser sind
bemoost
und glitschig. Wenn man sich draufstellt, ist es, als würde man auf Nudelhölzern balancieren, besonders jetzt, wo seine Füße ganz taub sind. Schon nach ein paar Schritten rutscht Brisson aus und knallt mit dem Gesicht voran auf den dornigen Wall.
    Vor Schmerz zuckt er zurück. Nimmt eine seitliche Embryonalstellung ein, wobei er sich anscheinend weitere Verletzungen zuzieht, aber wenigstens sind seine Beine aus dem eiskalten Wasser raus.
    Seine Zähne klappern. Er mustert seine Brust und seinen Bauch, denn er befürchtet, dass er überall blutet. Doch er kann bloß Schlamm und ein paar dunkelrote, feuchte Flecke entdecken. Er versucht, den Schlamm wegzuwischen, um sich das Ganze anzusehen, aber er vermischt bloß alles zu einem Brei aus Blut und Erde. Plötzlich überkommt ihn das schreckliche Gefühl, seine Eier könnten durchbohrt worden sein, und er schaut nach.
    Beide unversehrt. Als würde
das
eine Rolle spielen.
    Doch er ist am Leben, und plötzlich hat er eine Idee. Wie auf einer Leiter steigt er die Wurzeln rauf. Versucht das Bungeeseil loszubinden, und als ihm das nicht gelingt, kehrt er zum Zeltplatz zurück und sucht sein Gerber-Messer. Dann schneidet er das Seil los und geht damit ein Stück den Hang runter, um ihm Spielraum zu geben.
    Es klappt. Drei Sixpacks, das Seil durch die Plastikringe gefädelt, von denen sie zusammengehalten werden, tauchen aus dem Wasser auf. Als Brisson sie rauszieht, reißen sich drei oder vier Dosen los und fallen wieder in den See oder rutschen zwischen die Wurzeln, aber er kann sich bloß dazu aufraffen, ein paarmal »Scheiße« zu sagen. Sobald er die geretteten Dosen in Händen hält, reißt er eine auf und nimmt einen Schluck. Denkt, dass er diesmal den Jim Beam zum Nachspülen trinken kann.
    Dann setzt er sich oben auf die Landzunge und lehnt sich an einen Baum, das linke Bein auf der White Lake-Seite, das
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