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Einmal auf der Welt. Und dann so

Einmal auf der Welt. Und dann so

Titel: Einmal auf der Welt. Und dann so
Autoren: Arnold Stadler
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Rest liegt nun im Zollhafen oder in Amerika.
    Also, oben das Schloss, das der Fürst für eine deutsche Mark an die Stadt Meßkirch verkaufte, als die Mauern schon bald nach innen und bald nach außen kippten. Stattliche Frührenaissance, der Stadt als Ruine oder Quasi-Ruine überlassen.
    Zum hundertsten Geburtstag des Philosophen wurde eine Sondermarke bei der Deutschen Bundespost beantragt. Vergebens, was die Post auch nicht ehrt.
    Mozart nächtigte in Meßkirch, auf einer Heimreise. Er wird nicht lange geblieben sein. Marie Antoinette auch, diese auf dem Weg nach Paris.
    Papst Pius XII. war hier, zusammen mit Erzbischof Gröber, der von hier war, sagte, das sei aber eine Kathedrale, und Gröbers Nichte fabrizierte noch bis in die siebziger Jahre hinein die weltberühmte Meßkircher Schneckennudel.
    Die erste bemannte Weltraumfahrt fand in der Nähe von Meßkirch statt.
    Der Erfinder des Volapük hat im Meßkircher Pfarrhaus zu seiner Sprache gefunden.
    Das alles konnte die Meßkircher Schule von sich aus bestreiten, die dreitausend Seelen zählende Meßkircher Schule von sich aus, und nötigte der Welt, auch mir, Respekt ab und hätte manchem Waldfrevler die Sprache verschlagen können.
    Es war ein wenig so wie auf jener Tafel an der Bergwirtschaft in der Holl:
    »In diesem Hause hätte die Mutter von Peter Rosegger in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai Anno Domini 1842 beinahe übernachtet«.
    Zu allem war Meßkirch auch noch schön, die Heimat von Kants Großmutter und von Willi Stärk, dem Musikdirektor von Hollywood, und hätte auch in Hollywood Karriere machen können.
    In den umliegenden Dörfern und Kleinstädten jedoch war es weniger beliebt, soweit ich zurückdenken kann.
    Hier wurde auch ich geboren, im Städtischen Krankenhaus, längst aufgelöst.
     
Vorgeschichte
     
    Von der Schwackenreuter Schwanz-Seite her entstamme ich einer bedeutenden Ferkelhändlerdynastie: einer meiner Urgroßväter, genannt Sau-Schwanz (die Nachfahren leben heute noch unter diesem Namen in Schwackenreute), war nämlich der bedeutendste Ferkelhändler um 1870, der seine Produkte bis zur Basler Ferkelmesse hinunter, die damals noch stattfand, an den Mann brachte. Er hatte das Ferkelgeschäft von ganz Seeschwaben und bis in die Schweiz hinüber und nach Vorarlberg hinein in seiner Hand. Das soll von diesem Vorfahren genügen; und mehr weiß ich ja auch gar nicht von ihm. Über seinen Namen hinaus, und den, den er sich gemacht hat, weiß ich so gut wie nichts. Er hieß August Xaver (Schwanz), und sein Name, er allein, lebt über seinen Grabstein weiter. In unserem Stammbaum natürlich auch. Aber von Ferkelhändler steht da nichts. Das ist mündliche Überlieferung der Geschichte.
    Vielleicht stimmt das gar nicht? Aber wie soll ich das heute noch herausfinden? Es wird so viel gelogen: die Vieh-Schwanz belügen die Ferkel-Schwanz; diese wiederum jene, bis herab zu mir. Und ich weiß ja auch nicht, was hier stimmt oder nicht, nicht einmal an mir selbst, die ganze Geschichte, in Wörtern, die hier. Ein Schwanz will vor dem anderen eine gute Figur machen, er will gut dastehen. Man übertreibt, man bläht sich auf, man kommt einander mit seiner Geschichte: Ein Schwanz will vornehmer sein als der andere, so ist das in ganz Schwackenreute. Der Stammbaum wird, wie wir, immer phantastischer. Schließlich, wenn keiner einschreitet, landet unsereins - über August Xaver, Conradin Kreutzer und Abraham a Sancta Clara hinaus -bei der Welt-, wenn nicht Universal-, ja Vor-Geschichte: bei der Schwanz-Saga und dem Schwanz-Mythos.
    So höre ich, dass eben die Sau-Schwanz sich ein Wappen anbringen ließen: ein (angeblich) ganz altes: das Ferkel-Wappen. Ein Ferkel oder sonst ein Tier erscheint auf diesem Wappen nicht, aber eine riesige, sehr alte (wohl erfundene) Jahreszahl und eine Art Rüssel um alles. Verhängnisvolles Vorbild für den Wappenkult an den nunmehr glatten Häusern mit den Satellitenschüsseln (im Stil der neuen Zeit) ist ja ein Anwesen in der Nähe des Bahnhofs von Meßkirch: Dort hat sich eine Familie Wurst mit diesem Namen, einer Jahreszahl und einer Wurst verewigen lassen. Gewiss ist dieses Wappen eine Erfindung. Damit kann ich leben.
    In den Monaten vor meiner Geburt erschütterte uns etwas anderes. Aufregung im Bauch mit dem zukünftigen Hoferben darin, in meinem Bauch. Und darauf, auf diesen Schrecken, führe ich die Geschichte meines Muttermals und überhaupt alles, angefangen mit dem In-die-Hose-Machen als meinem
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