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Einkehr zum toedlichen Frieden

Einkehr zum toedlichen Frieden

Titel: Einkehr zum toedlichen Frieden
Autoren: Martina Kempff
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anhängen, sondern einen Mord aufklären«,
sagt Langer freundlich. »Sollten Sie ihn doch begangen haben, könnte Ihre
schlimme Vorgeschichte vor Gericht durchaus als strafmindernd gewertet werden.
Und sind Sie unschuldig, haben Sie möglicherweise etwas beobachtet, das uns zum
Täter führen kann. Also fangen Sie am besten von vorn an.«
    Als Journalistin hätte ich lange gezögert, einem Polizisten mein
Herz auszuschütten, aber ich bin keine Journalistin mehr, befinde mich in einer
verzweifelten Lage und habe außerdem noch nie einen derart charmanten Akzent
mit einem so liebenswert geröchelten R gehört wie den dieses belgischen
Polizisten. Der zwar aussieht, als wäre er soeben aus dem Bett gefallen, mich
aber aus recht wachen Augen mustert.
    »Meine Mutter ist vor einer Woche gestorben«, beginne ich, sehe die
dichten schwarzen Augenbrauen hochschnellen und setze hastig hinzu: »Im
Krankenhaus. Es war ein natürlicher Tod.«
    »Wohl kaum«, kommt eine Stimme von der breiten Falttür. Langers Kollege
tritt mit einem jungen Mann ein. »Gerd Christensen ist eindeutig erschlagen
worden. Michael Balter hier, der Inhaber der Krippana, sagt, der Stein sei aus
den Geschäftsräumen entwendet worden.«
    »Es handelt sich um einen Bergkristall«, verbessert Balter mit
eindringlich sanfter Stimme, »und der fördert normalerweise Durchblutung und
Sauerstoffversorgung.«
    Er lässt diese Aussage auf uns wirken, ehe er fortfährt: »Wer immer
es war, hat den Bergkristall aus der Ausstellung fortgeschafft, ohne Licht zu
machen. Ich habe mir soeben die Aufnahmen der Überwachungskamera angesehen. Als
die Putzfrau um kurz vor zwanzig Uhr das Licht ausmachte, war der große
Bergkristall noch da. Die Tageslichtaufnahmen vom frühen Morgen sind zwar
schwach, aber man kann deutlich erkennen, dass der Stein fehlt. Die Putzfrau
habe ich telefonisch schon herbestellt. Wann ist der arme Christensen überhaupt
ermordet worden?«
    Marcel Langer seufzt erlöst, als uns die drahtige Kellnerin Kaffee
und Kuchen vorsetzt. Süchtig, denke ich voller Sympathie, als er sofort zur
Tasse greift und sie fast auf einen Zug leert. Ich stürze mich auf den Kuchen.
Unterzuckerung kann ich mir jetzt keinesfalls leisten.
    »Den genauen Todeszeitpunkt kann nur der Gerichtsmediziner
feststellen«, bringt Langer nuschelnd hervor, während er sich mit der Hand ein
paar Kaffeetropfen vom unregelmäßig geschnittenen Schnauzbart wischt, »aber dem
ersten Anschein nach ist er wohl schon gestern Abend umgebracht worden.«
    Ich verschlucke mich fast an meinem Schokoladenkuchen. »Dann kann
ich es ja gar nicht gewesen sein!«, rufe ich krümelsprühend. »Ich habe ihn doch
erst heute früh entdeckt.«
    »Sie sind zum Tatort zurückgekehrt, um damit später mögliche Spuren
Ihrerseits zu erklären«, stellt Langer ungerührt fest. »Ein alter Trick.«
    Die drahtige Kellnerin meldet das Eintreffen von Frau Mertes, der
Putzfrau. Voller Hoffnung, die Ermittler würden sich jetzt auf eine andere
Verdächtige stürzen, drehe ich mich um. An der halb offenen Falttür steht ein
zierliches Persönchen in Kittelschürze, Größe 34, höchstens. Total ungeeignet,
um mit einem riesigen Bergkristall auf eine Leiter zu steigen und von der
oberen Sprosse aus einen drei Köpfe größeren Mann zu erschlagen.
    Langer wirft mir eine Zeitung auf den Tisch und bittet mich zu
warten. Als er sich erhebt und damit den Blick auf den grünen Marmorsockel
hinter sich freigibt, von dem mich ein großer grüner Marmorfrosch höhnisch
anzugrinsen scheint, schlage ich lustlos das »Grenz-Echo« auf. Hier starren
mich zwei Seiten Todesanzeigen an. Sofort denke ich an meine Mutter. Über deren
Tod ich die Öffentlichkeit nicht unterrichtet habe, weil die sich dafür nicht
interessiert hätte.
    Als meine Mutter vor einer Woche im Sterben lag, konnte man mir
nicht rechtzeitig Bescheid sagen, weil ich mein Handy ausgeschaltet hatte, um
mich ungestört bei meinem Freund auszuweinen: Der Verlag hatte mir gerade die
Arbeitsstelle gekündigt. Im Zuge allgemeiner Einsparungen benötige die
Zeitschrift leider keine Moderedakteurin mehr, hieß es.
    Als ich dies meinem Freund in seinem Büro mitteilen wollte, erfuhr
ich, dass er künftig keine Freundin mehr benötige. Nach vierzehn Jahren sei ihm
die außereheliche Beziehung zu mir einfach zu stressig geworden. Er habe seiner
Frau alles gebeichtet und werde nun wieder zum anständigen Familienvater
mutieren.
    Später erfuhr ich im Krankenhaus, dass
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