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Einfach Freunde

Einfach Freunde

Titel: Einfach Freunde
Autoren: Abdel Sellou
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sich krank, sie glaubten mir nicht. Selber schuld … Aber ich bin ein Spieler, also sagte ich, Ist gebongt . Und so habe ich angefangen, mein Leben zu erzählen, mehr oder weniger der Reihe nach. Als Erstes habe ich von Belkacem und Amina erzählt, denen ich nicht nur Freude gemacht habe, jetzt fällt es mir auf. Jetzt erst, nach vierzig Jahren, bravo, Abdel … Von meiner Frechheit, den kleinen Gaunereien, vom Gefängnis. Schon gut, Abdel, Kopf hoch, sei stolz. Zeig’s ihnen: Hat gar nicht weh getan! Und schließlich von Monsieur Pozzo. Von Monsieur Pozzo schließlich und vor allem, Monsieur Pozzo mit großem M, großem P und allem anderen auch groß, von der Intelligenz und dem Banksafe bis zur Demut.
    Und auf einmal klemmt es.
    Wer bin ich denn, um über ihn zu sprechen? Ich beruhige mich, ich rede mir gut zu, entschuldige mich selbst: Was ich da erzählt habe, das versteckt Monsieur Pozzo selbst auch nicht. War es denn nicht sein Wunsch, dass François Cluzet bei der kompletten Körperpflege-Prozedur anwesend war, die er täglich über sich ergehen lassen muss, und das schon bei ihrer ersten Begegnung? Die wundgelegenen Stellen, die abgestorbenen Hautschichten, die man mit der Schere abschneidet, die Sonde … Einem Tetraplegiker wird man kein mangelndes Schamgefühl vorwerfen: Weil er seinen Körper nicht mehr kontrolliert, gehört er nicht mehr ihm, er gehört den Ärzten, Chirurgen, Hilfspflegern, Krankenschwestern und sogar dem Intensivpfleger, die alle von ihm Besitz ergreifen. Er gehört dem Schauspieler, der sich auf seine Rolle vorbereitet, den Zuschauern, die um Verständnis gebeten werden. Gebeten werden, die Moral der Geschichte zu verstehen: dass, die Gewalt über seinen Körper zu verlieren nicht automatisch bedeutet, dass man sein Leben verliert. Dass Behinderte keine Tiere sind, die man anstarren kann, ohne rot zu werden, und dass es auch keinen Grund gibt, ihren Blicken auszuweichen.
    Aber wer bin ich, um über das Leiden zu sprechen, über Scham und Behinderung? Ich habe bloß etwas mehr Glück gehabt als die große Masse der Blinden, die nichts gesehen hatten, bevor sie Ziemlich beste Freunde gesehen haben.
    Ich habe mich in den Dienst von Philippe Pozzo di Borgo gestellt, weil ich jung war, jung und dumm, weil ich die coolen Autos fahren und in der ersten Klasse reisen, in Schlössern übernachten, Spießerinnen in den Hintern zwicken und mich über ihre pikierten Schreie freuen wollte. Ich bereue nichts. Weder, was mich damals umgetrieben hat, noch, was ich heute bin. Aber mir wurde etwas bewusst, als ich in diesem Buch mein Leben erzählte: dass ich erwachsen geworden bin neben Monsieur Pozzo, Monsieur Pozzo mit großem M, großem P und allem anderen auch groß, von der Hoffnung über das Herz bis zum Lebenshunger. Und jetzt werde ich selbst lyrisch wie die abstrakte Kunst …
    Er hat mir seinen Rollstuhl wie eine Krücke angeboten, auf der ich mich abstützen konnte. Ich benutze sie noch heute.
    ** Der Originaltitel dieses Buches lautet »Tu as changé ma vie« ( Du hast mein Leben verändert ). A. d. Ü.

V

NEUANFANG

36
    Nach ein paar Jahren an seiner Seite sagte ich zu Monsieur Pozzo stopp. Die Hände auf seinem Bauch verschränken, den Oberkörper nach vorn kippen, ihn auf den Rollstuhl hieven, die Glieder auseinanderfalten wie Schokoladenfolie, sie richtig anordnen, ihm Joggingschuhe anziehen, deren Sohlen für immer sauber bleiben würden … Ich sagte stopp.
    Â»Was soll das heißen, stopp? Abdel, lässt du mich im Stich?«
    Â»Nein, ich mache weiter, aber ich kann das nicht mehr als meine Arbeit betrachten. Sie können auch in Zukunft auf mich zählen, aber wir beide werden etwas anderes anstellen. Wir werden uns zusammentun.«
    Â»Abdel, ich brauche dich, nicht umgekehrt.«
    Â»Und ob ich Sie brauche! Ich möchte, dass wir zusammen ein Geschäft auf die Beine stellen. Ich hab die Arme, die nötige Schnauze, aber ich hab keine Manieren. Und ich versteh nichts von dem ganzen Papierkram, Buchhaltung und so. Vor den Bankiers katzbuckeln kann ich auch nicht. Aber Sie.«
    Â»Was das Katzbuckeln betrifft, mein lieber Abdel, so überschätzt du ein wenig meine Geschmeidigkeit.«
    Er hat eine geniale Idee, so genial, dass ich überall verkünde, dass sie von mir stammt: eine Autovermietung für Privatpersonen mit
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