Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einfach Freunde

Einfach Freunde

Titel: Einfach Freunde
Autoren: Abdel Sellou
Vom Netzwerk:
bringen, wie es jeder andere Vater an seiner Stelle tun würde. Ich sehe ihn nicht als meinen Vater. Er möge mir verzeihen, aber was genau ich unter dem Ausdruck Vater verstehen soll, ist mir immer noch etwas schleierhaft … Er ist nicht weniger als ein Vater, er ist nicht mehr, er ist einfach er, Monsieur Pozzo di Borgo, und ich muss mich zurückhalten, um seinen Namen nicht von Anfang bis Ende großzuschreiben, inklusive dem noblen »di«.
    Er ist es, der mir das Lesen beigebracht hat. Nicht das Entziffern, das Lesen. Der es mir ermöglicht hat, einen Teil meines Rückstands in Sachen Bildung aufzuholen. Bevor ich ihn kannte, sagte ich gerne, ich hätte als Schulabschluss die mittlere Unreife. Inzwischen ist das Früchtchen zumindest ein bisschen nachgereift. Er ist es, der mir Demut beigebracht hat, und das war ein Haufen Arbeit! Der mir die Augen geöffnet hat für die großen und kleinen Bourgeois, eine Welt von Außerirdischen, von denen ein paar trotz allem ganz in Ordnung sind. Der mir beigebracht hat, das Hirn einzuschalten, bevor ich antworte, und bevor ich handle auch. Der mich gedrängt hat, die Maske abzulegen. Der zu mir gesagt hat, ja, Abdel, ja, du bist der Beste , während ich selbst davon nicht sehr überzeugt war, egal, wie sehr ich mich aufgespielt habe. Der mich geformt hat. Mich vorangebracht hat. Zu einem besseren Menschen gemacht hat. Und sogar, zumindest ansatzweise, zu einem Vater.

    Im letzten Sommer unternahm ich mit meinen Kindern einen Schiffsausflug auf der Seine. Wir setzten uns unter die Touristen, die sich ziemlich verändert haben seit der Zeit, als ich sie ausgenommen habe. Es gab viele Chinesen, technologisch auf dem neuesten Stand, hübsche Geräte, die auf dem Flohmarkt von Montreuil einiges einbringen würden. Auch ein paar Russen waren mit von der Partie, ganz ansehnliche Miezen sicher, aber auch echte Knochengerüste – nichts für mich –, und die Typen um einiges stämmiger als ich. Mit ihnen hätte ich mich nicht angelegt. Abdel Malek stellte mir kluge Fragen, wie immer.
    Â»Papa, was ist das für ein Gebäude? Es sieht aus wie ein Bahnhof.«
    Ich ertappte mich dabei, dass ich redete wie ein Buch.
    Â»Das war früher ein Bahnhof, du hast recht. Jetzt ist es ein Museum. Orsay heißt es. Da drin gibt es Gemälde. Viele Gemälde.«
    Ich kam mir viel zu ernst vor. So kannte ich mich gar nicht. Und ich musste noch eins drauflegen.
    Â»Weißt du, Abdel Malek, früher, da gab es noch keine Fotoapparate, darum haben die Leute gemalt …«
    Ein Stück weiter, wieder mein Sohn:
    Â»Und diese Brücke dort, warum hat man sie in zwei Teile geschnitten?«
    Â»Ach, der Pont Neuf! Er ist zweigeteilt, weil er das Ende der Insel, die Île de la Cité heißt, mit den beiden Ufern von Paris verbindet.«
    Â»Gibt es auf dieser Insel auch eine Cité? Eine Cité wie Beaugrenelle?«
    Â»Ã„hm … Nein, da gibt es den Justizpalast! Hier wird über die Leute geurteilt, es wird entschieden, ob sie ins Gefängnis kommen, wenn sie Dummheiten angestellt haben.«
    Â»So wie du, Papa!«
    Das war Salaheddine. Mein Miniaturklon. Voller Stolz auf seinen Vater, logo.
    Das Schiff fuhr weiter. Die Kinder plapperten vom Meer, auf dem man auch fahren kann. Ich erklärte ihnen den Unterschied zwischen einem Meer, einem Fluss und einem Bach. Na ja … Bei der Sache mit der Quelle, die auf einem Berg entspringt, war ich mir nicht so sicher. Wir kamen am XV . Arrondissement vorbei, ich zeigte ihnen, wo ich gelebt hatte, als ich so klein war wie sie; es war ihnen schnurzegal.
    Â»Und die Statue dort, die sieht aus wie die Freiheitsstatue. Aber was macht die Frau? Warum streckt sie so den Arm hoch?«
    Â»Weil sie das Netz für ihr BlackBerry sucht …«
    Sie lachten, sie glaubten mir nicht. Ich erklärte ihnen, dass ihr Papa nicht sehr viel weiß, weil er der Lehrerin in der Schule nicht gut zugehört hat.
    Â»Philippe, der muss es wissen! Ruf ihn doch an!«
    Â»Monsieur Pozzo, ja, er weiß es bestimmt …«
    Ich habe zwei Väter, zwei Mütter, ein Alter Ego im Kino, schwarz wie Ebenholz, eine Ehefrau, zwei Söhne, eine Tochter. Ich habe immer Spielkameraden, Kumpels, Komplizen gehabt. Monsieur Pozzo ist vielleicht einfach ein Freund. Der erste. Der einzige.

Nachwort
    Als Éric Tolédano und Olivier Nakache am Drehbuch zu ihrem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher