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Einfach ein gutes Leben

Einfach ein gutes Leben

Titel: Einfach ein gutes Leben
Autoren: Peter Ploeger
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und dasselbe, ist an dieser Stelle eine kurze Anmerkung zur Verwendung der Begriffe am Platz. Die Marktwirtschaft ist um einiges älter als der Kapitalismus. Tatsächlich kann man überall dort, wo institutionalisierte Tauschbeziehungen nach dem Muster eines Marktplatzes stattfinden, von einer Marktwirtschaft sprechen, wie Fernand Braudel es tut. Dabei muss nicht notwendigerweise Geld als Tauschmittel benutzt werden.
    Nach Braudel ist das Hauptunterscheidungsmerkmal des Kapitalismus zur Marktwirtschaft die Akkumulation von Kapital. Dazu braucht es eine Kapitalform, die angehäuft werden kann, sprich: ein nicht verderbliches Zahlungsmittel, mit dessen Hilfe Wert »gespeichert« werden kann. Das ist das Geld, früher in harter Münze, heute in Form von Kontoständen. Die Akkumulation gelingt den Kapitaleignern, indem sie ihr Kapital so einsetzen, dass es noch mehr Kapital abwerfen kann, etwa indem sie sich in die Tauschbeziehungen zwischen Produzenten und Verbrauchern einschalten, Arbeitsproduktivität abschöpfen oder geldbasierte Zinsgeschäfte betreiben. Mit dem Kapital aber vermehren sie auch Macht. Kapitalismus ist deshalb eine auf die Akkumulation von Kapital und Macht hin orientierte spezifische Form der Marktwirtschaft. 13
    Ich werde in diesem Buch für diese heute nahezu global praktizierte Wirtschaftsweise die Begriffe »Kapitalismus«, »kapitalistische Marktwirtschaft« oder »freie Marktwirtschaft« synonym benutzen. Das tue ich in dem Bewusstsein, dass der Begriff »Marktwirtschaft«, sofern er ohne Zusatz steht, bisweilen auch in verharmlosender Absicht benutzt wird, dann nämlich, wenn er einen »unschuldigen« Tausch unter transparenten und gleichen Bedingungen (dem Marktplatzprinzip) suggeriert, um von einer Kritik am Kapitalismus abzulenken.
Die Wirtschaft hat den Blick für die Grundbedürfnisse verloren
    Der Unwille gegenüber der herrschenden Wirtschaftsweise geht tief bei den Menschen, die in diesem Buch zu Wort kommen. Sie handeln aus Gründen, die sie nicht immer aussprechen, selten aus einer totalen Ablehnung heraus, aber in der Konsequenz rütteln sie doch an den Grundfesten des Kapitalismus. Was sie alle implizit sagen, ist: Es kann nicht rund laufen für uns, weil die Ökonomie den Blick für grundlegende Bedürfnisse der Menschen verloren hat, Bedürfnisse, zuderen Befriedigung sie ursprünglich da sein sollte. Das würde bedeuten, dass sie ihren fundamentalen Auftrag nicht erfüllt. Dass die Selbstorganisierten sich nun selbst helfen, richtet die kritische Aufmerksamkeit auf den Kern der Ökonomie. Es ist ein Hinweis auf eine kulturelle Krise: Unser Wirtschaftssystem ist weniger als gedacht in der Lage, uns mit dem zu versorgen, was wir brauchen und was wir uns wünschen, es ist keine optimale Basis für ein gelingendes Leben einer möglichst großen Zahl von Bürgern. Welche Bedeutung diese Kritik hat, bleibt zu diskutieren. Bedenklich ist allein schon, dass ein offenbar so dringender Bedarf besteht, sich dermaßen grundsätzliche Gedanken über unsere Ökonomie zu machen.
    Die Bedenken, die Lisa Pfleger, Michael Hartl, Frauke Hehl, Niels Boeing und all die anderen haben, sind natürlich von ihren jeweiligen Anliegen und Lebensumständen geprägt. In ihrer Quintessenz laufen sie allerdings auf drei Punkte hinaus, die ihre grundsätzliche Kritik umreißen:
    Die kapitalistische Marktwirtschaft produziert Risiken: Sie lässt nicht alle Boote oben treiben. Sie ist in ihrer selbst gestellten Aufgabe nicht erfolgreich genug, da sie Menschen zurücklässt, die sie nicht zurücklassen müsste. Gemessen an den (materiellen) Möglichkeiten, die sie eröffnet, lässt sie zu viele Bedürfnisse unbefriedigt. Zum Beispiel stehen Menschen mit geringem Einkommen erheblich weniger Lebenschancen offen als den Einkommensstärksten.
    Die kapitalistische Marktwirtschaft hat blinde Flecken: Sie konzentriert sich auf einen zu engen Bereich von Bedürfnissen und lässt damit schon in ihrem Grundverständnis – ihrem Menschenbild – zu wenig Raum für andere Bedürfnisse, die aber sehr wohl zum menschlichen Wohlleben gehören. Das Bedürfnis nach Kooperation etwa wird ausgeblendet und durch den Wettbewerbscharakter des Markthandelns sogar konterkariert.
    Die kapitalistische Marktwirtschaft baut Hindernisse auf: Sie behindert zum Teil die Befriedigung von Bedürfnissen (sowohl solcher aus ihrem Kernbereich als auch solcher, die nicht in ihrem Menschenbild verankert sind) und beschneidet somit Lebenschancen. So
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