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Einfach ein gutes Leben

Einfach ein gutes Leben

Titel: Einfach ein gutes Leben
Autoren: Peter Ploeger
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auch der Verbraucher nach dem Rationalitätsprinzip abläuft. Ergebnis soll sein, mit dem geringsten Aufwand den optimalen Ertrag zu erzielen.« 5
    Interessant ist nun, wie die Bedeutung von »Ertrag« mit Inhalt gefüllt wird. Ist Ertrag im Sinne von materiellem Output zu verstehen, besteht er mithin in einer möglichst großen Menge an zu verteilenden Gütern? Bedeutet er einen möglichst hohen Grad an Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen? Ist »Ertrag« gleichbedeutend mit dem »Glück« – was aber heißt es dann für einen Menschen, im Glück zu leben?
    Die kapitalistische Marktwirtschaft setzt hier die Menge an Gütern (und Dienstleistungen) gleich mit der Bedürfnisbefriedigung. Ein großes Güterangebot kommt demnach einem in der Summe hohen Grad an Befriedigung individueller Bedürfnisse gleich. Das zugrunde liegende Prinzip des »größtmöglichen Glücks« wurde bereits in der philosophischen Strömung des Utilitarismus formuliert, also während der Frühzeit des Kapitalismus. Hier geht es wohlgemerkt in erster Linie um das zusammengenommene Glück aller: eines Volkes, nicht des Einzelnen. »Gut ist nicht das Maximum an subjektivem Wohlbefinden aller beteiligten Personen«, da subjektive Einschätzungen nicht mehr erhoben werden, »sondern die optimale Realisation möglichst vieler Präferenzen«, also Neigungen zu bestimmten Gütern. 6
    Das moderne Menschenbild der Ökonomie ist gemeinsam mit diesen Grundannahmen entstanden. Zwei Konsequenzen folgen aus ihm: Zum einen wird der Mensch zum »Homo oeconomicus«, der ständig damit beschäftigt ist, seinen Nutzen zu optimieren, indem er noch mehr Präferenzsignale an die Umwelt abgibt und auf deren Realisierung drängt. Zum anderen ist der Nutzenoptimierer für die Ökonomik als Subjekt leicht handhabbar. Sie muss sich nun nicht mehr um die vertrackten inneren Zustände und Beziehungstypen des Individuums kümmern, zum Beispiel Frust, Zufriedenheit, Leid, Zuneigung, Abneigung, Hunger, Mitmenschlichkeit oder Anhänglichkeit. Der Markt ist dem Individuum als Person gegenüber völlig indifferent. Aktuell wird das ökonomische Menschenbild allerdings infrage gestellt, da nun auch den Experten dämmert, dass Menschen nicht bloß an Nutzenmaximierung interessiert sind, sondern auch an Dingen wie Gerechtigkeit, um nur ein Beispiel zu nennen. 7
    Durch die selbst erwählte Blindheit der Ökonomie für die inneren Antriebe und Beweggründe der handelnden Subjekte entsteht ein verzerrtes Verhältnis zu ihrem Grundauftrag, die Basis für die Lebensfähigkeit und das Glück der Menschen zu schaffen. Dieses verzerrte Verhältnis erwächst aus einer durchaus stringenten Logik innerhalb der Ökonomik, sieht von außen betrachtet allerdings krude aus. Das Buch wird an vielen Stellen zeigen, dass seine Akteure genau hier den Hebel ihrer Zweifel und ihrer Kritik ansetzen und infrage stellen, ob die heute gängige Form des Wirtschaftens tatsächlicham besten geeignet ist, den Grundauftrag zu erfüllen. Sie schließen sich in ihrem Urteil über die moderne Wirtschaftsweise also dem Politikwissenschaftler Robert Lane an: »Die heutigen ökonomischen und politischen Institutionen gehen zurück auf die utilitaristische Konzeption des Glücks, aber offenbar haben sie uns in eine Zeit größeren Unglücks geführt.« 8
    Was die kapitalistische Marktwirtschaft ursprünglich versprochen hat, lässt sich am besten mit einer nautischen Metapher aus der Frühzeit des Kapitalismus veranschaulichen: »Alle Boote treiben oben«, heißt es seitdem, wenn die Flut des allgemeinen Wohlstands steigt. Tragisch für die strengen Proponenten des freien Marktes: Die Metapher lässt sich sehr schön erweitern. Es macht eben immer noch einen Unterschied, ob man in einer fast wracken Jolle oder in einer schnittigen Hochseejacht sitzt (oder in einem U-Boot!). Auch gekenterte Boote treiben oben auf dem Wasser. Und die Flut ist mittlerweile dabei, weite Teile dieser Welt unbewohnbar zu machen. Das Glück für alle haben die steigenden Wasser jedenfalls bis heute nicht gebracht. Es sieht nicht einmal so aus, als würden sie das jemals können. Die Akteure dieses Buches sind sogar der Meinung, dass sie dem guten Leben eher schaden.
    Erst in den letzten Jahren beginnt die Wirtschaftswissenschaft sich für »Glück« im Sinne des subjektiven Wohlbefindens zu interessieren. Ein neuer Forschungszweig, die Ökonomische Glücksforschung, etabliert sich allmählich. Ihre bisherigen Ergebnisse bestätigen,
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