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Einfach ein gutes Leben

Einfach ein gutes Leben

Titel: Einfach ein gutes Leben
Autoren: Peter Ploeger
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werden neuerdings wieder grundsätzliche Fragen verhandelt. 2008 und 2009, die Jahre der Hypotheken-, Finanz- und anschließenden globalen Wirtschaftskrise, haben den Bundesbürgern bereits einiges abverlangt in puncto Geduld und Vertrauen in Politik und große Wirtschaft. 2010 lässt alle diejenigen mit offenem Mund staunend stehen, die noch vor Kurzem an die Trägheit der Deutschen geglaubt und von »Entpolitisierung« geredet haben.
    Mitten in eine Phase einer bereits als »zweites Wirtschaftswunder« gepriesenen Konjunkturerholung platzen aufrüttelnde Ereignisse, die in ihrer Tragweite noch nicht zu beurteilen, in ihrer Aussage über die Stimmung im Land aber sehr wohl deutlich sind. Die Sarrazin-Debatte lenkt den Blick auf ein vielkulturelles Deutschland und seine Integrationsprobleme. Es ist kein Zufall, dass sich die Stimmung gegen »Fremde« gerade wieder in Zeiten einer gefühlten wirtschaftlichen Labilität so schnell aufheizen lässt: Sündenböcke werden dann am dringendsten gesucht, wenn der ökonomische Schock am größten ist. Unmut äußert sich allerdings auch ananderen Stellen und nach anderen Anlässen. Das Bauprojekt »Stuttgart 21« löst eine ungeahnte Protestwelle aus. Das abgetragene Argument der Politik, dass ein solches Infrastrukturprojekt doch schließlich in Zukunft allen nutze, wenn es der Region und damit allen ihren Bürgern wirtschaftlich (noch) besser gehe, verfängt nicht länger, weil offenbar der Zweifel daran wächst, dass die Kausalkette »Infrastrukturverbesserung – Wachstum – Wohlstand für alle« stets so glatt funktioniert. Gleichzeitig laufen die Proteste gegen den Ausstieg aus dem Atomausstieg weiter. Die Protestierer stehen fassungslos vor den ihrem Verdacht nach im Hinterzimmer zwischen Regierung und den Lobbyisten der Energieunternehmen ausgekungelten Entscheidungen. Dauerthema des Jahres 2010 aber ist die Diskussion um »Hartz IV«. Auch sie wirft grundsätzlichere Fragen auf: Wie sieht eine gerechte und ausreichende Versorgung, wie ein gutes Leben aus und was sollte der Staat für einzelne Bürger tun, die von sich aus nicht in der Lage sind, eine entsprechende Versorgungsgrundlage für sich und ihre Familien herzustellen?
    Köchelt hier schon länger eine Unzufriedenheit auf dem Feuer, deren Dampfdruck jetzt an mehreren Stellen gleichzeitig den Kessel zum Pfeifen bringt? Wohl kaum ein Jahr in der jüngeren Geschichte hat so viele Unmutsäußerungen auf so breit gestreuten Feldern gehört wie 2010. Sind auch sie Zeichen dafür, dass immer mehr Bundesbürger sich an einer Wirtschaftsmaschinerie stören, die ihrem Gefühl nach nicht mehr rund und außerdem sowieso an ihnen vorbeiläuft? Ist der Grundkonsens im Schwinden, nach dem eine Wirtschaftsordnung, die sich immer stärker an finanzwirtschaftlichen Interessen ausrichtet, im Grunde gut für die ganze Gesellschaft ist? Man muss sich fragen, inwieweit die vielen spezifischen oder ortsgebundenen Proteste ein Zeichen für eine wachsende Fundamentalkritik sind.
    Diejenigen, die abseits der Nachrichtensendungen füllenden Proteste im kleinen Maßstab das Heft ergreifen und eine stärkere Selbstorganisation für sich und ihre lokalen Gemeinschaften wählen, haben sich jedenfalls die Fundamentalkritik auf die Fahnen geschrieben. Ihre Zahl wird durch die Krisen der letzten Jahre eher gewachsen sein. »Ich höre jetzt häufiger verunsicherte Bemerkungen von unseren Nutzern«, sagt Elisabeth Redler vom »Haus der Eigenarbeit« in München, »die sagen: ›Mensch, dieses Wirtschaftssystem ist so instabil, dass ich gut daran tue, mich autonomer versorgen zu können.‹« Und Elisabeth Voß, Betriebswirtin und Publizistin, die gerade den Wegweiser Solidarische Ökonomie veröffentlicht hat, ist überzeugt: »Die Idee der Selbstorganisation oder wirtschaftlichen Selbsthilfe ist deutlich im Aufschwung, es bilden sich die unterschiedlichsten Szenen und Diskurse heraus. Im Unterschied zu den früher eher anspruchsgeleiteten Vorhaben hierzulande stünde nun eher Handeln aus der Not heraus an. Entwicklungen sehe ich vor allem im Bereich der Selbsthilfegenossenschaften und der Kooperation von Selbständigen.«
    Auch Ulrike Urban vom Bielefelder Tauschring »Zeitpunkt« sagt: »Wir ziehen uns schon ein bisschen raus aus dem großen Gefüge. Wenn ich so auf die Krise der Staatsfinanzen in Griechenland gucke und es woanders auch unsicherer wird … Solche Ängste könnte ich ja auch haben. Ich weiß aber schon, was ich mache, wenn die
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