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Eines Abends in Paris

Eines Abends in Paris

Titel: Eines Abends in Paris
Autoren: Nicolas Barreau
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die Place Saint-Sulpice, wo ich mit meinem Freund vor einem kleinen Café in der Sonne saß.
    »He, Alain, hörst du mir überhaupt zu?« Roberts Stimme klang vorwurfsvoll. Er warf mir einen durchdringenden Blick aus seinen hellblauen Augen zu. Hinter seinem blonden Haarschopf erhob sich die helle Kirche mit ihren seltsam eckigen Türmen wie ein riesiges Raumschiff, das soeben gelandet war. Offenbar hatte Robert seinen ausführlichen Vortrag über diesen Hubble und seine Konstante beendet.
    »Ich sagte, du musst sie heute Abend endlich ansprechen und fragen, ob sie mit dir essen geht! Sonst werdet ihr immer weiter auseinanderdriften wie die Himmelskörper.«
    Ich biss mir auf die Unterlippe und unterdrückte ein Lachen.
    »Ja«, sagte ich. »Genau das dachte ich auch gerade.«

5
    Viel zu früh war ich an diesem Mittwoch im Kino. Nach dem Essen mit Robert war ich fortgeeilt, als hätte ich eine Verabredung. Dabei hatte ich gar keine. Doch wie man weiß, sind die glücklichsten Momente immer jene, die man erwartet.
    So überquerte ich den Boulevard Saint-Germain, der in der hellen Mittagssonne lag, voller Übermut und schlängelte mich abseits der Zebrastreifen durch die Autos, die vor einer roten Ampel warteten. Ich zündete mir eine Zigarette an und lief wenige Minuten später die schattige Rue Mazarine entlang.
    Als ich die Tür zum Cinéma Paradis aufschloss, schlug mir der vertraute Geruch von Holz und Polstermöbeln entgegen und ich beruhigte mich wieder ein wenig und dekorierte die Schaukästen um.
    In der Reihe Les Amours au Paradis sollte an diesem Tag Das grüne Leuchten von Éric Rohmer gespielt werden. Ich legte neue Prospekte aus. Ich schaute nach, ob genug Wechselgeld in der Kasse war. Ich warf einen Blick in den Vorführraum und legte die Filmrollen bereit. Dann ging ich in den Kinosaal und setzte mich probeweise auf verschiedene Plätze der Reihe siebzehn, um herauszufinden, was es damit auf sich hatte, konnte aber nichts Besonderes feststellen. Es war ja nicht einmal die letzte Reihe in meinem Kino, die bei Verliebten immer sehr begehrt ist, weil man dort im Schutz der Dunkelheit ungestört küssen kann.
    Ich schlug die Zeit tot mit nützlichen und weniger nützlichen Dingen und schaute immer wieder auf die Zeiger der Uhr, die im Foyer hing.
    François kam und verschwand im Vorführraum. Madame Clément kam und brachte selbstgebackene Himbeertörtchen mit. Und als die Gäste der Achtzehn-Uhr-Vorstellung ihre Karten gekauft und ihre Plätze eingenommen hatten, um in Und wenn wir alle zusammenziehen? das Schicksal einer erfinderischen Alten-WG mitzuverfolgen, öffnete ich die Tür zum Vorführraum und machte François ein Zeichen, dass ich noch einen Kaffee trinken gehen würde.
    François saß über irgendwelchen Heften und Büchern gebeugt. Während die Filme liefen, hatte er genug Zeit, um für seine Prüfungen zu lernen.
    »Bin gleich wieder da«, sagte ich und er nickte.
    »Und … François? Könntest du heute Abend vielleicht den Laden dichtmachen? Ich hab nach der Spätvorstellung noch etwas vor.«
    Erst als ich in dem nahegelegenen Bistro meinen café crème trank, wurde mir klar, dass mein Plan nicht gerade brillant war. Die Spätvorstellung endete um Viertel nach elf, wer würde da noch essen gehen wollen? Vielleicht wäre es klüger, die Frau im roten Mantel am Wochenende zum Essen einzuladen. Wenn sie sich überhaupt von mir einladen ließ. Und wenn sie überhaupt heute Abend ins Kino kam.
    Plötzlich wurde mir ganz kalt vor Schreck. Was, wenn sie heute gar nicht kam? Oder nie mehr kam? Ich rührte nervös in meinem Kaffee, obwohl der Zucker sich schon längst aufgelöst hatte.
    Aber sie ist doch bisher immer gekommen, sagte ich mir. Sei nicht albern, Alain, sie wird schon kommen. Außerdem scheint sie dich zu mögen. Sie lächelt immer, wenn sie dich sieht.
    Aber vielleicht ist das nur eine ganz normale Freundlichkeit?
    Nein, nein, da ist mehr. Ich wette, sie wartet nur darauf, dass du sie endlich ansprichst. Das hättest du schon längst tun sollen, du Feigling. Schon längst!
    Ich hörte ein leises, knarrendes Geräusch neben mir und blickte auf. Der Professor mit der Cordjacke saß am Nebentisch und nickte mir hinter seiner Tageszeitung zu. Seine klugen Augen leuchteten amüsiert.
    Himmel, hatte ich etwa laut vor mich hingesprochen?! Gehörte ich schon zu den Menschen, die ihre Lautäußerungen nicht mehr unter Kontrolle hatten? Oder konnte der alte Herr Gedanken lesen?
    Ich nickte also
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