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Eine zweite Chance

Eine zweite Chance

Titel: Eine zweite Chance
Autoren: Karin Alvtegen
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vielleicht nicht erwünscht war, aber Verner sah vor allem peinlich berührt aus, möglicherweise etwas misstrauisch. »Ich dachte, jetzt, da Sie die alte verschenkt haben, brauchen Sie eine neue.«
    »Ja, sicher.«
    Verner ging weiter zum Holzschuppen, und Anders folgte ihm. »Ich bin es nicht gewohnt, Geschenke zu bekommen, aber Danke will ich schon sagen.«
    »Das ist nicht nötig, ich bin es, der zu danken hat.«
    Verner legte ein paar Holzscheite in den Korb, und Anders half ihm, ihn zu füllen. Zusammen gingen sie zum Häuschen zurück, und Anders blieb unten an der Vortreppe stehen. Er hielt die Malerleinwand immer noch in der Hand und streckte sie nun Verner entgegen. Der warf einen Blick darauf, während er sich die Stiefel auszog. »Eine Tasse Kaffee sollen Sie doch wenigstens bekommen.«
    »Wenn Sie sowieso einen Kaffee machen wollten.«
    »Nein, das wollte ich nicht. Aber kommen Sie nur herein.«
    Anders senkte den Kopf und verbarg ein Lächeln. Verner befolgte nicht die gewöhnlichen Umgangsregeln, das wusste er schon, aber was er anfangs nur verwirrend gefunden hatte, wirkte jetzt befreiend. Es war nichts Böses in seinem seltsamen Benehmen, nur eine Unfähigkeit, sich zu verstellen. Anders folgte ihm gern hinein. Nach jeder Begegnung mit Verner hatte er sich bereichert gefühlt. Seine andere Perspektive hatte ihn viel gelehrt, und gerade jetzt hatte er einen starken Bedarf an neuen Blickwinkeln.
    Sie gingen hinein, und Anders lehnte die Malerleinwand an einen Stapel von Schubladen. Dann ging er weiter und setzte sich auf Verners karierten Bettüberwurf. Ein Gedanke irrte zu dem hin, was unter dem Bett lag, aber ehe er es geschafft hatte, ihn festzuhalten, kam Verner mit dem Kaffee herein. Noch einmal nahm Anders eine verfärbte Tasse mit abgestoßenem Rand entgegen. Verner hob ein paar Kleidungsstücke vom Stuhl und setzte sich, schlürfte seinen Kaffee und machte sich wie üblich keine Eile damit, ein Gespräch zu eröffnen.
    Anders betrachtete die Tasse in seiner Hand und sah sich dann in dem überfüllten Zimmer um. »Haben Sie all diese Bücher gelesen?«
    »Größtenteils. Jedenfalls habe ich sie nicht, weil es praktisch ist.«
    Anders lächelte, und für eine Weile blieb es wieder still. »Wird es nie einsam, so zu leben?«
    Verner sah ihn erstaunt an. »Klar ist es einsam. Hier wohnt niemand außer mir.«
    »Ich meine, so isoliert?«
    »Das bin ich gewöhnt. Ich habe immer ein wenig abseits vom Rest der Welt gelebt. So ist es etwas einfacher.« Er trank den letzten Rest Kaffee aus und stellte die Tasse auf den Boden. »Ich habe mich nie richtig auf das mit Leuten verstanden.«
    »Was denn?«
    »Mit Leuten. Sie verhalten sich oft so komisch. Sagen etwas, meinen aber etwas ganz anderes. So wie Sie, als Sie hier waren und die Gitarre kaufen wollten.« Anders fühlte, wie er errötete. Aber es klang nicht nach einer Anklage, nur nach einer Feststellung. »Mir ist es immer schwergefallen, bei diesem Spiel mitzumachen, ich verstehe die Regeln ganz einfach nicht. Das habe ich sogar schwarz auf weiß.« Verner stand auf und ging zu einem Karton, hob einen Stapel Papier und Zeitschriften heraus und begann zu suchen. »Ich muss sie hier irgendwo haben. Es war in dem Jahr, als ich Erfolg mit meinen Malereien hatte. All diese Bewunderung, die sie für mich hatten, ne, ich spürte die ganze Zeit, dass etwas fehlte. Schließlich ging es mir so schlecht, dass ich Hilfe suchen musste.« Er blätterte weiter in den Papieren in dem Karton, gab dann aber auf und blickte sich suchend im Zimmer um. »Äh, ich weiß nicht, wo ich diese Zeitschriften habe. Aber da kann man Dinge über mein Gehirn lesen, müssen Sie wissen, jeder Millimeter wurde untersucht, denn als sie meine Synästhesie entdeckten, wollten sie mich in ein Forschungsprojekt aufnehmen.«
    »Und das haben Sie mitgemacht?«
    »Ja. Als sie versprachen, dass sie mein Gehirn untersuchen würden. Ich habe mich doch selbst immer gefragt, was mit mir nicht stimmte. Er ist übrigens heute Professor, der Doktor, den ich hatte, wir schreiben uns hin und wieder.«
    »Was hat er denn gefunden?«
    »An Intelligenz fehlte es nicht, ganz im Gegenteil, und es war ja schön, das bescheinigt zu bekommen.« Verner setzte sich wieder auf den Stuhl und versank in Gedanken. »Und dann bekam ich bestätigt, was ich eh schon wusste. Für mich war das eine Befreiung, endlich eine Diagnose zu erhalten. Ich glaube, erst da konnte ich eigentlich anfangen zu leben. Störungen in
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