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Eine zweite Chance

Eine zweite Chance

Titel: Eine zweite Chance
Autoren: Karin Alvtegen
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konnte. Alle Gespräche mit dir, alles, was Verner gesagt hat, Emelie … Ich weiß nicht, aber etwas hat sich hier drinnen verändert.« Er klopfte mit dem Finger gegen die Stirn.
    Helena lehnte sich zurück und betrachtete ihn. Anders, der Mann im Sessel neben ihr, ein Mensch, ein Mysterium. Von allen Orten der Welt war er ausgerechnet hier bei ihr gelandet. »Also war das, was Verner über dich gesagt hat, wahr?«
    »Ja, so merkwürdig es auch klingt.«
    Helena blickte ins Feuer. Die schwierige Kunst des Umdenkens. »Was er über mich gesagt hat, war auch wahr, ich war nur nicht bereit es zu hören.«
    Sie hob den Blick und betrachtete Verners blühende Kastanie. Die Welt ist nichts anderes als die Erfindung jedes Einzelnen, sie wird das, was wir aus ihr machen. Das hatte Verner gesagt.
    Vielleicht war es gar nicht so schwierig?
    Oder war gerade das am schwierigsten.

Kapitel 27
    Siebenundvierzig Jahre, vier Monate und sechzehn Tage. So lange hatte sein Leben bisher gedauert. Während der Nacht hatte er wach gelegen und die Zeit zusammengezählt, erfüllt von Gedanken über das, was blieb.
    Früher hatte er nie gesehen, wo die Scheidewege anfingen, nicht bevor er ein gutes Stück vorangekommen war und er sich hatte umsehen müssen. Diesmal war es anders. Er war sich dessen bewusst, dass er an einer Kreuzung stand und dass der Weg zurück für ihn gesperrt war. Er musste einen von denen wählen, die ihn weiter voranbrachten, aber an keinem gab es ein sicheres Schild, das zeigte, wohin er führen würde. Da stand nur »risikoreicher Versuch«. Besonders auf einem, denn wenn er den wählte, wäre er gezwungen, alles, was er sich an Selbstschutz aufgebaut hatte, fallen zu lassen.
    Dieser beunruhigende Gedanke hatte ihn wach gehalten.
    Denn einmal hatte er diesen Fehler bereits gemacht und den Schmerz dabei nie vergessen können.
    All die Zeit, die vorbeigeschlichen war. Die Haare, in die sich langsam graue Strähnen geschlichen hatten. Sein Körper, der nicht mehr über unbegrenzte Kräfte verfügte, sondern immer regelmäßiger nach Ruhe verlangte. Womit hatte er sich beschäftigt, als die erste Falte gekommen war und er sich immer mehr verändert hatte? Offenbar mit etwas, das ihm die Lebenslust abgegraben hatte.
    Sobald die Dämmerung kam, stieg er aus dem Bett. Eine ganze Weile blieb er am Fenster stehen, während der neue Tag anbrach. Er sah auf die Häuser hinaus, voller Verwunderung, dass er gerade hier gelandet war. Eine Taube flog vorbei und versuchte sich auf dem Dach über dem Kücheneingang niederzulassen. Der Dachfirst hatte spitze Stacheln, um die Vögel fernzuhalten. Die Taube flatterte ein paarmal, ehe sie aufgab, und Anders dachte, dass der Dachfirst ihn sehr an sich selbst erinnerte. Genauso abweisend war er gewesen, wenn jemand ihm zu nahe kam, wenn jemand geblieben war, um sich niederzulassen.
    Er zog den Blaumann an und ging hinunter in die Küche. Dort frühstückte er im Stehen, hinterließ einen Zettel auf dem Tisch und ging weiter zum Auto. Er hatte etwas zu erledigen.
    Ein paar Stunden später war er mit einer frisch gekauften Malerleinwand auf dem Weg zu Verners Häuschen. Ein stiller Nieselregen fiel und löste den letzten Schnee auf. Der Duft der nassen Erde erfüllte die Luft. Es war, als vibriere der ganze Wald in ungeduldiger Erwartung eines Startschusses für den Frühling. Ein Reh in einiger Entfernung ließ ihn innehalten. Ihre Blicke begegneten sich, das Tier zögerte, verharrte ein paar Augenblicke, ehe es kehrtmachte und loslief. Anders blieb in der Stille stehen. Als das Geräusch seiner eigenen Schritte verschwunden war, blieb nur noch das Rauschen des Windes. Ihm fiel auf, wie selbstverständlich alles um ihn herum zu sein schien. Nichts im Wald bat um einen Anlass, alles wuchs einfach dort, wo es wuchs. Durchdrungen von Lebenswillen und in genügsamer Harmonie mit allem anderen. Genauso lebendig wie er selbst. Aber allem Anschein nach klüger.
    Als er das betrat, was vermutlich einmal das Grundstück des Häuschens gewesen war, sah er Verner auf der Vortreppe stehen. Er hielt einen Holzkorb in der Hand und schien Anders nicht zu bemerken, mit der Katze auf den Fersen ging er zur Hausecke.
    »Hallo Verner.«
    Er blieb stehen und drehte sich um. Ein Lächeln sprang in sein Gesicht. »Hallo, das ist ja eine Menge Besuch, den man heutzutage kriegt.«
    »Ich dachte, Sie könnten eine neue Malerleinwand brauchen.«
    Verners Lächeln verschwand. Anders bekam Angst, dass sein Geschenk
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