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Eine Vorhaut klagt an

Eine Vorhaut klagt an

Titel: Eine Vorhaut klagt an
Autoren: Shalom Auslander
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davor gesprochen hatte. Ich packte Orli an der Hand und rannte los.
    – Wohin gehen wir?, schrie sie.
    Wir rannten über den Gehweg, umkurvten Eishockeyfans und schlängelten uns zwischen den Taxis hindurch, die auf dem Broadway standen.
    – Einen mit allem, sagte ich zu dem Verkäufer. – Extra trefe .
    Orli sperrte den Mund auf.
    Der Verkäufer reichte mir den Hotdog, und ich schob ihn mir sogleich in den Mund, drückte so viel hinein wie möglich.
    Orli kreischte vor Vergnügen.
    – Er hungrig, sagte der Verkäufer zu Orli.
    Meine Wangen spannten sich. Mein Kiefer schmerzte. Senf lief mir übers Kinn. Ich schaute zum Himmel hinauf, grinste Gott an, so gut es ging, und zeigte ihm den Finger.
    – Fmeckt fweinif, brachte ich heraus.
    Ich hielt den Rest des Hotdogs Orli hin, die reckte die Arme in Siegerpose über den Kopf, beugte sich vor und biss ein fieses Stück ab.
    – Mmm, sagte sie. – Nichtkoscher …
    Wir lachten und umarmten uns und versuchten zu schlucken, ohne zu ersticken.
    – Eins fünfzig, sagte der Verkäufer.
    Ich langte in die Tasche und gab ihm einen Fünfer. Orli zeigte auf das Geld und kreischte.
    – Du hast Geld dabeigehabt?, sagte sie. – Deshalb haben sie verloren!
    Zusätzlich zu den neununddreißig Kategorien von Arbeit, die am Sabbat verboten sind, haben die Weisen auch das Berühren oder Bewegen von etwas – zum Beispiel Geld – verboten, das zu den neununddreißig Kategorien von Arbeit führen könnte.
    – Das war für den Notfall!, flehte ich, dann machten wir uns auf zur Sixth Avenue, um ein Taxi Richtung uptown zu nehmen.
    Ich biss noch ein Stück von meinem Hotdog ab, verzog das Gesicht und warf ihn in den Müll.
    – Nicht so gut, wie ich gedacht hatte, sagte ich.
    – Essen verschwenden?, sagte Orli. – Damit ist das siebte Spiel gelaufen.
    Ihre Naivität verblüffte mich einfach.
    – Der lässt sie schon gewinnen, sagte ich. – Nur um es mir zu zeigen.
     
    Drei Tage später, am Dienstag, den 14. Juni, gewannen die Rangers das siebte Spiel um die Meisterschaft des Stanley Cup 1994 mit einem Endstand von drei zu zwei. Ich sah mir das Spiel nicht an. Na gut, das letzte Drittel.
    Das passt, dachte ich, als Messier den Stanley Cup über den Kopf hob und eine Runde auf dem Eis drehte. War ja vorauszusehen.
    Am Samstag darauf fuhren Orli und ich zum ersten Mal am Sabbat Auto. Wir warteten bis nach dem Lunch, und als der Rasen des Terrace Circle endlich leer war, huschten wir auf Zehenspitzen hinunter, stahlen uns in unseren schimmernden neuen waldgrünen Chrysler LeBaron und rollten sachte vom Parkplatz des Terrace Circle. Wir bogen in die Queen Anne Road, drückten aufs Gas und fuhren zur Riverside Square Mall in Paramus, wo wir eine Weile herumstöberten und über Gott redeten, es aber nicht über uns brachten, Geld zu gebrauchen, um etwas zu kaufen. Am Sabbat darauf stahlen wir uns wieder hinaus, diesmal zur Bergen Mall, wo wir eine Weile herumstöberten und über Gott sprachen, ein paar Bücher und CD s kauften, die Tüten dann aber im Wagen ließen, damit niemand sah, wie wir sie ins Haus trugen.
    Die Werbeagentur, für die ich frei arbeitete, hatte mir eine volle Stelle versprochen, und bald bekam ich sie. Orli und ich fanden eine Wohnung in der West 56th Street, zwei Zimmer, Nicht-Tudor, mit Blick auf nichts, ohne Rasen davor. Perfekt.
    Am Sabbat danach gingen wir zum Parkplatz des Terrace Circle, stiegen in den LeBaron, fuhren das Dach zurück und drehten die Musik auf. Wir fuhren zu Staples, wo wir Umzugssachen kauften, und dann zu Sixth Avenue Electronics, wo wir einen Neunzehn-Zoll-Farbfernseher für die neue Wohnung kauften. Kurz nach ein Uhr mittags kehrten wir zurück, und alle waren sie auf dem Rasen, um sich nach dem Sabbatmahl ein wenig zu bewegen. In Zeitlupe schritten wir übers Gras – Orli den Arm voller Staples-Tüten, ich schleppte den Neunzehn-Zoll-Farbfernseher –, vorbei an den Paaren mit Kind und den Paaren ohne Kind, die die Kinder der Paare mit Kind hielten, und alle starrten sie uns mit aufgesperrtem Mund an und schüttelten den Kopf. Mrs Soundsoberg saß finster auf der Bank neben unserer Haustür. Ich zwinkerte ihr im Vorbeigehen zu.
    – Neunzehn Zoll, flüsterte ich, – mit Kabelanschluss. Im jirze Ha-Schem für Sie.

20
     
    Willkommen im virtuellen Jerusalem!
     
     
    SCHICKEN SIE EIN GEBET
    Das jüdische Neujahr naht, und wir sind gehalten, unsere Herzen im Gebet zu öffnen. Im Lichte des Schmerzes und des Verlusts des Volkes Israel
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