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Eine verlaessliche Frau

Titel: Eine verlaessliche Frau
Autoren: Robert Goolrick
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Pläne näher brachte.
    Wenn sie nicht gerade aß oder unter den gestärkten, makellosen Laken schlief, starrte sie auf ihr Gesicht in dem Spiegel über dem Toilettentisch. Es war ihr einziger echter Besitz, das, worauf sie sich ganz und gar verlassen konnte, das sie nie trügen würde. Und nach vierunddreißig Jahren fand sie es beruhigend, dass es auch weiterhin jeden Morgen im Wesentlichen unverändert blieb, die gleiche verlässliche Schönheit, die gleiche blasse, makellose Haut, faltenlos und frisch. Was immer das Leben ihr schon angetan hatte, ihr Gesicht hatte es noch nicht erreicht.
    Dennoch war sie unruhig. Ihre Gedanken rasten, gingen die Möglichkeiten durch, die Pläne, die wirren Erinnerungen an ihre turbulente Vergangenheit und was es wohl letztlich gewesen war, das sie bis hierher geführt hatte, in diesen üppigen Salon auf Rädern, irgendwo in einem Dazwischen.
    So viel musste in diesem Dazwischen erst geschehen, und auch wenn sie alles schon so oft in Gedanken erprobt hatte, traute sie diesem Dazwischen doch nicht. Man konnte erwischt werden. Man konnte sein Gleichgewicht verlieren, nur ein Stück vom Weg abweichen, und schon wurde man durchschaut. In diesem Dazwischen passierten immer Dinge, die man nicht eingeplant hatte, und es waren genau diese Dinge, die schiere Möglichkeit solcher Dinge, die sie heimsuchten und beunruhigten, die sich jetzt in die weichen, mauvefarbenen Höhlungen unter ihren dunklen, mandelförmigen Augen gruben.
    Liebe und Geld. Sie konnte nicht glauben, dass ihr Leben, so erbärmlich und ziellos es auch gewesen war, ohne Liebe oder Geld enden sollte. Das konnte und wollte sie einfach nicht akzeptieren, denn das jetzt zu akzeptieren, würde auch bedeuten, dass das Ende schon gekommen und bereits verstrichen war.
    Sie war entschlossen und kalt wie Stahl. Sie wollte zumindest nicht ohne einen gewissen Anteil an diesen beiden Dingen leben, die als Minimum zum Überleben nötig waren. Sie hatte all die Jahre geglaubt, dass sie sich schon rechtzeitig einstellen würden. Sie hatte geglaubt, dass ein Engel vom Himmel herabkommen würde, der sie mit Reichtümern segnen würde, so wie sie mit Schönheit gesegnet worden war. Sie glaubte an Wunder. Oder jedenfalls hatte sie das, bis sie ein Alter erreichte, in dem sie plötzlich begriff, dass das Leben, das sie führte, ihr Leben war. Der Lehm ihres Daseins, der ihr so lange unendlich formbar erschienen war, war nun geformt und gehärtet und zu einem, wie es aussah, festen, unveränderbaren Objekt geworden, einer Muschel, die sie bewohnte. Damals hatte sie das schockiert. Es schockierte sie auch jetzt noch, wie ein Schlag ins Gesicht.
    Sie erinnerte sich an einen Augenblick in ihrer Kindheit, an den einen, alles verändernden Augenblick ihrer Vergangenheit. Sie fuhr in einer Kutsche, trug ein schlichtes weißes Kleid und saß neben ihrer Mutter, die noch nicht tot war. Sie war behütet. Sie war in Virginia, wo sie geboren war.
    Das goldene Haar ihrer Mutter wurde von dem Widerschein ihres prächtigen lavendelfarbenen Seidenkleids mit seinen ausladenden und verschwenderisch bestickten Röcken beleuchtet. Sie fuhren in einer großen, einfachen Kutsche, und Catherine saß auf dem Vordersitz, zwischen ihrer Mutter und einem Mann in Militäruniform, der nicht ihr Vater war. Wenn er in ihrer Erinnerung auftauchte, konnte sie sein Gesicht nicht erkennen. Hinter ihnen saßen, kerzengerade, drei weitere junge Männer, Kadetten, schmuck gekleidet in strammen Wolluniformen mit Epauletten, Litzen und Winkeln.
    Es hatte unterwegs geregnet, ein schneller, kräftiger Schauer, und man hatte das Verdeck der Kutsche zugezogen, und der Regen fiel weiter, obwohl auch die Sonne nicht aufhörte zu scheinen, solch ein dichter Regen, dass sie kaum weiter als bis zu den dampfenden Flanken der Pferde hatte sehen können. Dann, wie durch ein Wunder, hatte der Regen wieder aufgehört und das Verdeck war von einem der jungen Männer wieder zurückgeklappt worden, so dass die süße, kühle Luft um sie herumgeflossen war. Winzige Tropfen sprühten vom Verdeck auf das Haar ihrer Mutter, und ihre Mutter hatte auf ihre bezaubernde Art gelacht. Das war in ihrer Erinnerung ganz deutlich, der Klang ihres Lachens. Das und das Wetter und der heftige Regenschauer selbst waren sehr schön gewesen. Wundervoll und so lange her.
    Der junge Soldat hinter ihr hatte
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