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Eine undankbare Frau

Eine undankbare Frau

Titel: Eine undankbare Frau
Autoren: Karin Fossum
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den er in der Mikrowelle warm machte.
    »Du musst dich mit Imbisskost begnügen«, sagte er bedauernd. »Ich bin ein schlechter Koch.«
    »Alles okay, Opa«, sagte Johnny. »Aber im Aufwärmen sind Sie Weltmeister.«
    Während er aß, behielt er Sejer im Auge.
    »Dass Sie sich so um mich kümmern, ist das Teil eines Plans? Wollen Sie mir damit weitere Geständnisse entlocken? Stellen Sie mir ruhig eine Falle, wenn Sie glauben, das es etwas bringt, aber ich werde nicht reingehen.«
    Er tippte sich an die Stirn.
    »Hier drinnen tickt alles richtig.«
    »Du bist zu dünn«, sagte Sejer. »Das ist alles.«
    Eines Tages, nach einem langen Gespräch, lehnte sich Johnny über den Tisch.
    »Was passiert eigentlich mit meiner Mutter?«
    »Das lässt sich noch nicht genau sagen«, sagte Sejer. »Aber es sieht nicht gut für sie aus.«
    »Sie wird das nie im Leben zugeben«, sagte Johnny. »Sie wird bis zu ihrem Tod leugnen. Aber der kann man nicht übern Weg trauen, nicht für fünf Øre. Kriegt sie lebenslänglich?«, fragte er voller Hoffnung. »Wasser und Brot? Die ganze Nacht Licht? Jede Stunde Zellenrazzia?«
    »Würde dir das gefallen?«, fragte Sejer.
    »Es würde mir gefallen, wenn sie auf dem elektrischen Stuhl landete«, sagte Johnny. »Oder am Galgen. Oder in der Garotte.«
    »Solche mittelalterlichen Methoden werden Gott sei Dank nicht mehr angewendet«, sagte Sejer.
    »Alle klagen immer über das Mittelalter«, sagte Johnny. »Dass alles so schlimm war. Aber die Garotte wurde noch bis 1974 benutzt.«
    »Und wo in aller Welt soll das der Fall gewesen sein?«, fragte Sejer überrascht.
    »In Spanien.«
    »Woher weißt du so etwas?«
    »Das weiß ich eben«, sagte Johnny. »Das sind die Bahnen, in denen ich denke.«
    Sejer musterte ihn mit ernster Miene.
    »Was die Sache mit deinem Großvater angeht, da haben wir noch so einiges vor uns«, sagte er. »Es gibt noch so einiges, dem wir auf den Grund kommen müssen. Du musst dich für viele, lange Gespräche bereithalten, denn wir müssen das alles richtigstellen.«
    »Wenn meine Mutter verurteilt wird, dann wird sie doch enterbt, oder?«
    »Davon gehe ich aus«, sagte Sejer. »Auch darüber würdest du dich also freuen?«
    »Ja. Und Opa auch.«
    Johnny Beskow wirkte manchmal gleichgültig und gefühlskalt, manchmal kindlich und verspielt, um dann in der nächsten Sekunde wie ein frühreifer Jugendlicher aufzutreten. Niemand hatte ihm die gängigen, zwischenmenschlichen Regeln beigebracht. Er kannte weder geschriebene noch ungeschriebene Gesetze. Dann wiederum aber wurde er sentimental, wenn er über den alten Henry sprach. Mai Sinok betonte mehrmals, wie fürsorglich er sich um den alten Mann gekümmert hatte. Immer wieder sei er auf seiner roten Suzuki in die Rolandsgate gekommen, habe sich aufmerksam und mit großem Eifer eingesetzt. Sejer rechnete fest damit, dass das Gericht Milde walten lassen würde, da er jung und nicht vorbestraft war und unter schrecklichen Bedingungen aufgewachsen war.
    Aber Theos Schicksal stand auf einem ganz anderen Blatt.
    Schillinger wurde immer wieder vernommen. Aber wie sehr sie ihn auch bedrängten, er bestand auf seiner Aussage, mit derselben Intensität, mit der auch Johnny Beskow geleugnet hatte.
    »Nein, diese Tür habe ich nicht offen gelassen. In meinem ganzen Leben habe ich noch nicht vergessen, die Tür zuzumachen, wenn ich den Zwinger verlassen habe. Ich versuche nicht, mich aus der Verantwortung zu stehlen, aber es muss doch auch Gerechtigkeit geben und ich weigere mich, die Schuld eines anderen auf mich zu nehmen. Soll so ein Drecksbengel mein Leben zerstören dürfen?«
    Denn das Gerücht hatte sich schnell verbreitet, dass ein Halbwüchsiger aus Askeland hinter dem Terror steckte, der sie wochenlang in Atem gehalten hatte.
    Der Oktober kam und Matteus machte sich auf, um für den Siegfried im Schwanensee vorzutanzen, eine einmalige Gelegenheit, sein Können den wichtigen Personen in der Ballettwelt vorzuführen, national und international. Am späten Nachmittag, nachdem das große Ereignis endlich stattgefunden hatte, stand er mit der Pumatasche über der Schulter vor Sejers Tü r. Sein Lächeln und sein Blick wirkten verheißungsvoll.
    »Wie war es?«, fragte Sejer. »Komm rein. Hast du die Rolle? Sag es bitte gleich. Spann mich nicht lange auf die Folter.«
    Matteus ließ seine Tasche mit einem leisen Aufprall zu Boden fallen.
    »Die Rolle hat Robert Riegel bekommen«, sagte er.
    Sejer sah ihn verärgert an. »Robert
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