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Eine undankbare Frau

Eine undankbare Frau

Titel: Eine undankbare Frau
Autoren: Karin Fossum
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was? Was sagst du da?«
    »Riegel«, wiederholte Matteus.
    Er ging in die Hocke und streichelte Franks Kopf. Die ganze Sache schien ihn seltsam ungerührt zu lassen. »Und wer ist das?«, fragte Sejer.
    »Naja, der ist natürlich ein phänomenaler Tänzer«, sagte Matteus, ohne seinem Großvater in die Augen zu blicken.
    »Aber ist er denn besser als du? Willst du mir wirklich erzählen, dass er besser ist als du?«
    »Sieht so aus«, sagte Matteus und erhob sich zu seiner vollen Größe. »Jedenfalls wird sich Robert Riegel im vierten Akt zusammen mit Odette in den See stürzen.«
    »So endet das Stück?«, fragte Sejer leicht verdutzt.
    »Genau. Sie stürzen sich in den See.«
    Er ging durch das Zimmer und bewegte sich mit der Selbstsicherheit, die ein starker athletischer Körper ausstrahlt. Sejer folgte ihm. Er kam sich alt vor und seine Knie gaben nach.
    »Kannst du nicht wenigstens ein wenig sauer sein«, bat er. »Du siehst so gleichgültig aus. Ich meine, kannst du nicht wenigstens ein paar Flüche und Verwünschungen springen lassen?«
    »Ich bin nicht gleichgültig«, sagte Matteus. »Aber Beherrschung ist eine Tugend.«
    Er ließ sich in einen Sessel sinken. Zog eine Packung Pfefferminzpastillen aus der Tasche, nahm eine heraus und legte sie sich wie eine Oblate auf die Zunge: Sie war sofort geschmolzen.
    »Das habe ich von dir gelernt«, fügte er hinzu. »Du bist immer so ruhig. Und ich kann es mir nicht leisten, Energie zu verschwenden. Ich muss weiter. Zu neuen Höhen, wenn du so willst.«
    Sejer ließ sich in einen Sessel fallen. Frank legte sich zu seinen Füßen.
    »Ich dachte, Riegel ist Schokolade«, murmelte Sejer. »Als ich klein war, kostete einer nur dreißig Øre.«
    »Jetzt sei nicht so stinkig«, sagte Matteus. »Wie läuft es mit Johnny Beskow?«
    »Die Mutter sitzt in U-Haft«, sagte Sejer. »Aber Johnny ist zu Hause. Bis zur Verhandlung. Seine einzige Gesellschaft ist ein kleiner Hamster. Aber er muss sich dreimal die Woche bei uns melden. Er ist ein sehr aufgeweckter Junge. Leicht gestört natürlich, aber ich mag ihn irgendwie gern. Aus ihm kann noch etwas werden, wenn man ihm Zeit lässt. Wenn jemand sich die Mühe macht, ihm ein paar einfache zwischenmenschliche Verkehrsregeln beizubringen.«
    »Was ist mit den Hunden?«, fragte Matteus. »Weißt du schon etwas Neues?«
    Sejer schüttelte den Kopf. Die Enttäuschung darüber, dass Matteus für die Rolle des Prinzen nicht gut genug sein sollte, machte ihm zu schaffen, und er musste sich alle Mühe geben, um nicht dauernd an diese Ungerechtigkeit zu denken.
    »Er leugnet«, sagte er.
    »Glaubst du ihm?«
    »Im Grunde ja.«
    »Warum glaubst du ihm?«, fragte Matteus.
    Die braunen Augen waren in dem dunklen Zimmer fast schwarz.
    »Naja, das ist in erster Linie ein Gefühl.«
    »Und diesem Gefühl vertraust du? Er hat doch wochenlang gelogen, warum solltest du ihm jetzt glauben?«
    Sejer zuckte mit den Schultern.
    »Intuition ist wichtig«, sagte er. »Und ich halte meine natürlich für außergewöhnlich gut entwickelt. Nach so vielen Jahren im Polizeidienst, in denen mir Menschen aller Art begegnet sind. Ich glaube, wir benutzen unser Bauchgefühl viel mehr, als uns bewusst ist. Ich glaube, es führt uns durchs Leben.«
    »Aber die Polizei darf sich doch nur auf Tatsachen und Funde und so etwas stützen?«
    »Natürlich. Wir haben keine Funde am Tatort gemacht, die auf eine Sabotage hinweisen. Also steht hier Aussage gegen Aussage.«
    Matteus sah seinen Großvater lange an.
    »Ich glaube, er führt dich an der Nase herum«, sagte er.
    »Ach ja? Und warum?«
    »Weil das seine große Begabung ist. Das hat er doch den ganzen Sommer getan, das kann er gut.«
    »Und ich habe gute Menschenkenntnisse«, widersprach Sejer. »Ich möchte behaupten, dass ich eine Lüge erkenne, wenn sie mir aufgetischt wird. Die hat, wenn ich das so sagen darf, ihren eigenen Klang.«
    »Ach was? Einen eigenen Klang?«
    »Wie ein rostiger Nagel in einer leeren Konservendose«, antwortete Sejer. »Mehr so als Metapher.«
    »Aha«, sagte Matteus. »Jetzt wirst du wirklich unsachlich. Jetzt pass mal gut auf. Natürlich hab ich die Rolle in Schwanensee bekommen. Ich hab nur einen Witz gemacht.«
    »Was sagst du da? Ist das denn die Möglichkeit?«
    Sejer bekam den Mund nicht zu vor Überraschung.
    »Wenn wir jemanden mögen, glauben wir, was er sagt«, erklärte Matteus. »Denk da mal drüber nach. Wenn du das nächste Mal mit Johnny Beskow in deinem Büro
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